2. Ein Zugang zur Realität ist nur über Theorien möglich. Deshalb darf man ein tatsächlich in
der Realität zu beobachtendes Ungleichgewicht auch nicht gegen ein Gleichgewicht in der
Theorie "ausspielen", wie Riese sagt. Und hier liegt auch der wirkliche Grund für Rieses
strenge Herangehens weise an die Ökonomie. Denn jede Wissenschaft ist immer
Gleichgewichtstheorie (in der Physik und anderswo auch) - und gewinnt nur derart überhaupt
einen Zugang zu ihrem Gegenstandsbereich.
3. Es gibt rivalisierende Paradigmen ökonomischen Denkens, deren Kerne durch
Falsifikationen von Einzelanwendungen jedoch nicht tangiert werden. Woraus folgt: Alles,
was die ökonomische Theorie leisten kann, ist, die Folgerichtigkeit, Widerspruchsfreiheit und
Vollständigkeit ihres jeweiligen paradigmatischen Gedankengebäudes aufzuzeigen. Damit
jedoch verbietet sich jeder Eklektizismus, der sich aus den diversen Denkschulen jeweils das
passende Element heraussucht und anwendet. Allerdings kostet das den Preis, daß so nur sehr
schwierig konkrete empirische Aussagen über die Wirtschaft möglich sind.
Und da steh ich nun, ich armer Tor - und bin so klug als wie zuvor? Auf der einen Seite das
brennende Interesse an der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und auf der anderen
Seite die Strenge der Wissenschaft, die eben dies verhindert? Nein, denke ich, nicht ganz,
denn gerade das Hinterfragen aller Aussagen bezüglich ihres Kernes und die daraus
resultierende Ableitung möglicher Inkonsistenzen macht einen schließlich doch etwas
schlauer. Versucht habe ich dies in einem Aufsatz, der eigentlich bereits im letzten Jahr
anläßlich eines Symposions über die Theorie von Heinsohn und Steiger erscheinen sollte und
von dem ich eine Kopie beilege.
Ich bin mir im klaren, daß Sie die Auswirkungen der Globalisierung sicherlich noch anders
sehen als ich es hier dargestellt habe. Aber gerne würde ich natürlich wissen, was Sie von
meinem Spannungsbogen zwischen Theorie und Realität halten.
Mit den besten Grüßen