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Beitrage ist eine natlirliche Vorschrift der "Wirtschaft, die
in jeder Wirtschaftsform gilt, hente wie im kommunistischen
Staate. Es mag — vielleicht — eine Fordernng der Ge-
rechtigkeit sein, dafs das ganze Erzeugnis den Arbeitern
als personlicb.es Einkommen ubergeben werde, jedenfalls
nnd auch wenn dies gescbiebt, ist es eine Eorderung der
Wirtschaftlichkeit, die Erzengnisse anf die Ertragsquellen
nacL Mafs der gelieferten Beitrage zu verrecLnen, ibnen ein
Mafs fur die fernere Yerwendung der Produktionsmittel zu
schaffen 1 /
An einer anderen Stelle weist Wieser darauf Lin, dafs
„das Problem der Ertragsteilung von dem der Einkommens -
teilung ganz und gar getrennt werden mufs“ 2 , und geLt in
seiner Untersuchung der naturlichen Regel der Zurecbnung
der produktiven Beitrage von der Voraussetzung eines
kommunistiscLen Staats aus, wo das ganze Produkt der
arbeitenden Gemeinschaft gehort. Die Frage nacb den
Regeln der Zurecbnung des Ertrags an Produktionsfaktoren
hat also nicbts gemeinsames mit der Erage nacb dem
sozialen Ursprung rind Sinn des arbeitslosen Einkommens.
Der Boden und das Kapital mogen als produktiv oder
nicbt betracbtet werden — die Einkommen der Kapita-
listen und der Grundeigentiimer bleiben allerdings auf der
sozialen Ausbeutung beruben.
Ebensowenig ist die Agio-Theorie von Bohm-Bawerk
imstande, den Ausbeutungscbarakter des arbeitslosen Ein
kommens als nicht existierend zu beweisen. Aber im Gegen-
satz zu Wieser verstebt das Bohm-Bawerk nicbt. Er glaubt
namlich demonstriert zu haben, dafs „im Wesen des
Zinses nicbts liegt, was ibn an sicb unbillig oder ungerecbt
erscheinen liefse“ 3 . Das mag sein, wenn wir die Erage
nacb dem Zins von der Frage, wer diesen Zins empfangt,
ganz absondern. Bohm-Bawerk spricbt ja, wie Wieser,
1 Wieser, Der naturliche Wert. 1889, S. 98.
2 A. a. 0. S. 77.
3 Bohm-Bawerk, Positive Theorie des Kapitals. 2. Auflage, 1902,
S. 384.
vom Zinse im sozialistiscben Staat. Aber er will auch die
Gerecbtigkeit des Einkommens des Kapitalisten begriinden
und gerat damit in Widerspruch mit seiner eigenen Theorie.
So fragt er: ^Yas sind die Kapitalisten fur Leute und
antwortet: „ sie sind Handler, die Gegenwarts ware feilhaben.
Sie sind gliickliche Besitzer eines Giiterstocks, den sie fur
ihre momentanen personlichen Bedurfnisse nicht brauchen w 1 .
Und was sind die Arbeiter fur Leute? Sie sind die Leute,
„ die wegen der Unmogbcbkeit, ibre Arbeit auf eigene
Rechnung lobnend zu verwenden, samtlicb geneigt und
bereit sind, ihr kunftiges Arbeitsprodukt gegen eine erheb-
licb geringere Menge gegenwartiger Guter zu verkaufen u 2 .
Also Kapitalisten sind besitzende und Arbeiter besitzlose
Leute.
Nacbdem aber Bobm - Bawerk das Einkommen der
Kapitalisten als auf dem Besitz, also auf dem Zwang be-
ruhend nacbgewiesen bat, kommt er seltsamerw^eise zu dem
Scblufs, dafs der Wettbewerb der Kapitalisten „fur eine
Ausbeutung der Besitzlosen keinen Raum mehr lafst u 3 .
Der Scblufs ist hochst iiberrascbend, da der Wettbewerb
der Kapitalisten nicbt imstande ist, sie ihres Besitzes ver-
lustig zu macben, und solange Besitzende und Besitzlose
da sind, ist auch soziale Ungleicbbeit, also die Ausbeutung,
da. Hatten docb die Arbeiter sicberlicb vorgezogen, „die
Gegenwarts ware feilzubaben 11 und in der gliicklichen Lage
der Besitzenden zu sein; was aber die Arbeiter in diese
Lage zu kommen hindert, ist ebenso sicber nicbt in den
personlichen Eigenscbaften der Arbeiter und der Kapitalisten,
sondern in sozialen Macbt- und Abhangigkeitsverbaltnissen
zu sucben.
Auch die Abstinenztbeorie vermag nicbt den Profit in
einem anderen Licbte erscbeinen zu lassen. Diese Theorie
leugnet nicbt, dafs der Profit ein Besitzeinkommen ist und
1 A. a. 0. S. 382.
2 A. a. 0. S. 350.
3 A. a. 0. S. 385.
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