Full text: Theoretische Grundlagen des Marxismus

194 
195 
Beitrage ist eine natlirliche Vorschrift der "Wirtschaft, die 
in jeder Wirtschaftsform gilt, hente wie im kommunistischen 
Staate. Es mag — vielleicht — eine Fordernng der Ge- 
rechtigkeit sein, dafs das ganze Erzeugnis den Arbeitern 
als personlicb.es Einkommen ubergeben werde, jedenfalls 
nnd auch wenn dies gescbiebt, ist es eine Eorderung der 
Wirtschaftlichkeit, die Erzengnisse anf die Ertragsquellen 
nacL Mafs der gelieferten Beitrage zu verrecLnen, ibnen ein 
Mafs fur die fernere Yerwendung der Produktionsmittel zu 
schaffen 1 / 
An einer anderen Stelle weist Wieser darauf Lin, dafs 
„das Problem der Ertragsteilung von dem der Einkommens - 
teilung ganz und gar getrennt werden mufs“ 2 , und geLt in 
seiner Untersuchung der naturlichen Regel der Zurecbnung 
der produktiven Beitrage von der Voraussetzung eines 
kommunistiscLen Staats aus, wo das ganze Produkt der 
arbeitenden Gemeinschaft gehort. Die Frage nacb den 
Regeln der Zurecbnung des Ertrags an Produktionsfaktoren 
hat also nicbts gemeinsames mit der Erage nacb dem 
sozialen Ursprung rind Sinn des arbeitslosen Einkommens. 
Der Boden und das Kapital mogen als produktiv oder 
nicbt betracbtet werden — die Einkommen der Kapita- 
listen und der Grundeigentiimer bleiben allerdings auf der 
sozialen Ausbeutung beruben. 
Ebensowenig ist die Agio-Theorie von Bohm-Bawerk 
imstande, den Ausbeutungscbarakter des arbeitslosen Ein 
kommens als nicht existierend zu beweisen. Aber im Gegen- 
satz zu Wieser verstebt das Bohm-Bawerk nicbt. Er glaubt 
namlich demonstriert zu haben, dafs „im Wesen des 
Zinses nicbts liegt, was ibn an sicb unbillig oder ungerecbt 
erscheinen liefse“ 3 . Das mag sein, wenn wir die Erage 
nacb dem Zins von der Frage, wer diesen Zins empfangt, 
ganz absondern. Bohm-Bawerk spricbt ja, wie Wieser, 
1 Wieser, Der naturliche Wert. 1889, S. 98. 
2 A. a. 0. S. 77. 
3 Bohm-Bawerk, Positive Theorie des Kapitals. 2. Auflage, 1902, 
S. 384. 
vom Zinse im sozialistiscben Staat. Aber er will auch die 
Gerecbtigkeit des Einkommens des Kapitalisten begriinden 
und gerat damit in Widerspruch mit seiner eigenen Theorie. 
So fragt er: ^Yas sind die Kapitalisten fur Leute und 
antwortet: „ sie sind Handler, die Gegenwarts ware feilhaben. 
Sie sind gliickliche Besitzer eines Giiterstocks, den sie fur 
ihre momentanen personlichen Bedurfnisse nicht brauchen w 1 . 
Und was sind die Arbeiter fur Leute? Sie sind die Leute, 
„ die wegen der Unmogbcbkeit, ibre Arbeit auf eigene 
Rechnung lobnend zu verwenden, samtlicb geneigt und 
bereit sind, ihr kunftiges Arbeitsprodukt gegen eine erheb- 
licb geringere Menge gegenwartiger Guter zu verkaufen u 2 . 
Also Kapitalisten sind besitzende und Arbeiter besitzlose 
Leute. 
Nacbdem aber Bobm - Bawerk das Einkommen der 
Kapitalisten als auf dem Besitz, also auf dem Zwang be- 
ruhend nacbgewiesen bat, kommt er seltsamerw^eise zu dem 
Scblufs, dafs der Wettbewerb der Kapitalisten „fur eine 
Ausbeutung der Besitzlosen keinen Raum mehr lafst u 3 . 
Der Scblufs ist hochst iiberrascbend, da der Wettbewerb 
der Kapitalisten nicbt imstande ist, sie ihres Besitzes ver- 
lustig zu macben, und solange Besitzende und Besitzlose 
da sind, ist auch soziale Ungleicbbeit, also die Ausbeutung, 
da. Hatten docb die Arbeiter sicberlicb vorgezogen, „die 
Gegenwarts ware feilzubaben 11 und in der gliicklichen Lage 
der Besitzenden zu sein; was aber die Arbeiter in diese 
Lage zu kommen hindert, ist ebenso sicber nicbt in den 
personlichen Eigenscbaften der Arbeiter und der Kapitalisten, 
sondern in sozialen Macbt- und Abhangigkeitsverbaltnissen 
zu sucben. 
Auch die Abstinenztbeorie vermag nicbt den Profit in 
einem anderen Licbte erscbeinen zu lassen. Diese Theorie 
leugnet nicbt, dafs der Profit ein Besitzeinkommen ist und 
1 A. a. 0. S. 382. 
2 A. a. 0. S. 350. 
3 A. a. 0. S. 385. 
13*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.