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Yon diesem Satze ausgebend kommt Bobm-Bawerk zu
seiner Profittbeorie. „Der Menscb“ — sagt er — „kann
die begekrten Genufsgiiter entweder nnmittelbar oder dnrch
Yermittlung von Zwiscbenprodnkten, welcbe Kapitalgiiter
beifsen, mittelbar herstellen. Die letztere Methode erfordert
ein Opfer an Zeit, aber bringt einen Yorteil an der Masse
des Produktes, der, wenn aucb in abnehmendem Mafse,
sick auch an jede Yerlangerung des Produktionsumweges
anknupftV* Dies .Mehrprodukt der kapitalistiscben Pro-
duktion bildet, nacb Bobm-Bawerk, den Profit des Kapita-
listen.
Es ist also klar, dafs far Bobm-Bawerk, niclit minder
wie fur Wieser, Marscball, Menger nnd andere modeme
Vertreter der Produktivitatstbeorie 1 2 , die tecfinisclie Pro
duktivitat des Kapitals die natiirlicbe Grundlage des kapita-
listisclien Profits bildet.
Oben babe icb daranf bingewiesen, dafs die Produktivi
tatstbeorie niclit imstande ist, das arbeitslose Einkommen
zu rechtfertigen. Sie mag ricbtig sein und zugleicb mufs
die Ausbeutungstbeorie ibre Geltung bewabren. Nun ist
sie aber meines Erachtens nicht ricbtig, da sie keine gtiltige
Erklarung des Kapitalisteneinkommens zu geben vermag.
Der fundamentale Eebler der Produktivitatstbeorie (Agio-
Tbeorie von Bohm-Bawerk inbegriffen) bestebt darin, dafs
sie das Bezieben des Profits mit dem Gebraucb der er-
giebigeren Produktionsmittel in Zusammenhang stellt. Das
Kapital, "welches den Zins abwirft, erscbeint immer den
Produktivitatstbeoretikem in der Form der Werkzeuge und
Mascbinen, deren Gebraucb den Ertrag der Produktion
steigert. Nun bat aber der Ursprung des kapitalistiscben
Profits oder, allgemeiner, des arbeitslosen Einkommens mit
der Einfubrung verbesserter Werkzeuge nichts gemeinsames.
Zwar ist jedes arbeitslose Einkommen ein Besitzeinkommen,
1 A. a. 0. S. 97.
2 Welche, nach meiner Meinung, von der von Bohm-Bawerk als
Nutzungstheorie bezeichneten Theorie nicht prinzipiell zu unterscheiden ist.
Der Grundgedanke ist in beiden Theorien derselbe.
aber seine Grundlage bildet der Besitz nicbt so sebr der
Arbeitswerkzeuge wie der Unterbaltsmittel der Arbeiter.
Das fublte Jevons, indem er das Kapital als „den In-
begriff der Glitdr, welcbe zum Unterbalt der an der Pro
duktion bescbaftigten Arbeiter verwendet werden w defi-
nierte. Wie der Arbeiter einen ursprtinglicberen und
wichtigeren Produktionsfaktor ausmacht als seine Werkzeuge,
ebensosebr ist das Kapital in der Form der Unterbaltsmittel
der Arbeiter urspriinglicber und wicbtiger, als das Kapital
in der Form der „produzierten ProduktionsmitteP, da sie
eben, nach der Definition, durcb den Arbeiter produziert
werden. Darum soli alle Profittbeorie, welcbe das Kapita-
listeneinkommen wdssenschaftlicb erklaren will, dasselbe in
seiner fundamentalsten und reinsten Form untersucben —
namentlicb in der Form des Einkommens, welcbes auf dem
Besitz der Unterbaltsmittel der Arbeiter berubt.
Wird das Problem so gestellt, so wird es klar, dafs
die sogenamite Produktivitat des Kapitals die Entstebung
des Kapitalisteneinkommens nicbt im mindesten erklaren
kann. Denn es ist ungereimt, etwa die Unterbaltsmittel der
Arbeiter als einen selbstandigen und besonderen Produktions
faktor den Arbeitem gegenuberzustellen. Zwar kann der
Arbeiter obne Unterbaltsmittel nicbt existieren, gescbweige
denn arbeiten. Aber die Produktivkraft der Unterbaltsmittel
kommt eben in der produktiven Leistung des Arbeiters zum
Ausdruck, und es biefse zweimal das eine recbnen, w^ollten
wir etwa von der Produktivitat der Unterbaltsmittel der
Arbeiter und der Arbeiter selbst sprecben.
Sind wir also berecbtigt, den Arbeiter als eine produk-
tive Kraft zu betracbten, so baben wir kein Recbt, aucb
semen Unterbaltsmitteln besondere produktive Eigenscbaften
zuzusclireiben. Brot und Fleiscb sind an sicb keine Pro-
duktionsfaktoren — wobl aber der Arbeiter, welcber sie zu
sicb nimmt.
1 Jevons, The Theory of Political Economy. Dritte Auflage, 1882,
S. 222.