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Je produktiver die Arbeit, um so grofser ist das
Mehrprodukt — derjenige Teil des Produktionsertrags,
welcher nach der Deckung alles dessen, was fur den weiteren
Fortgang der Produktion notig ist (also des notwendigen
Unterkalts der an der Produktion tatigen Arbeiter und der
Wiederherstellung der verbrauchten Produktionsmittel), v
iibrigbleibt. Das Mehrprodnkt teilt sich unter verschiedenen
Ges ells chaftsklas sen. Jede Klasse ist bestrebt, sich einen
moglichst grofsen Teil des ges ellschaftlichen Produktes anzu-
eignen. Nur der Kampf kann die Grofse des Anteils jeder
Klasse bestimmen. Die Quote der Kapitalisten ist um so
grofser, je machtiger sie gegenliber der Arbeiterklasse mid *
anderen Klassen erscheinen.
Wie oben (im sechsten Kapitel) nachgewiesen, gibt es
keine feste Regel fur die Grofse des Arbeitslohns, dessen
unterste Grenze die ftir die bare Existenz des Arbeiters un-
entbehrlichen Unterhaltsmittel bilden, dessen oberste Grenze
aber durch den gesamten Arbeitsertrag (nach Abzug der
verbrauchten Produktionsmittel) bezeichnet wird. Zwischen
diesen beiden Extremen oszilliert der Arbeitslohn, und
da die okonomische und soziale Macht der Kapitalisten-
klasse weit iiberwiegt, so stellt er sich faktisch uberall viel
naher der ersten als der zweiten Grenze. Zwar gehen die
Lohne mit der Entwicklung der Arbeitsproduktivitat in die
Hohe, doch ist es wahrscheinlich, dafs bei der kapitalisti-
schen Wirtschaftsweise der Arbeitslohn einen ziemlich
niedrigen Stand nie libers chreiten wird, da der Monopol-
besitz der Existenz- und Produktionsmittel die soziale Uber-
macht der Kapitalistenklasse fest begriindet.
Aus dem oben Gesagten folgt, dais die Profitrate
sich mit dem Arbeitslohn ebensogut parallel wie in um-
gekehrter Richtung bewegen kann. Es sind folgende Kombi-
nationen des Arbeitslohns (seinem Werte nach) und der
Profitrate moglich: hoher Arbeitslohn und niedrige Profit-
rate, hoher Arbeitslohn und hohe Profitrate, niedriger
Arbeitslohn und hohe Profitrate, niedriger Arbeitslohn und
niedrige Profitrate.
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Auf Grand des Ausgefuhrten ist es unschwer, das
Richtige undEalsche in beiden rivalisierenden Profittheorien
— der Produktivitat- und Marxschen Mehrwerttheorie —
festzustellen. Beide besitzen einen Kern von Wakrheit, aber
sind in ihrer Einseitigkeit • falsch. Was die erste Theorie
betrifft, so ist es ganz richtig, dafs es eine andere Quelle
der Steigerung des Profites gibt, als Herabsetzung des
Arbeitslohns — namlich die Erhohung der Arbeitsproduk
tivitat durch Einfuhrung verbesserter Produktionsmittel und
Methoden. Der technische Eortschritt, die Ersetzung der
Handarbeit durch Maschinenarbeit erzeugt, wie wir im
vorigen Kapitel gesehen haben, eine steigende Tendenz
der Profitrate, was mit der Zunahme des Arbeitslohns
(nicht nur des Reallohns, sondem auch des Geldlohns)
Hand in Hand gehen kann.
Das Iirefuhrende der Produktivitatstheorie besteht zu-
nachst darin, dafs sie im Kapital einen dritten selbstandigen
Faktor neben der Arbeit und Natur erblickt. Nun ist das
Kapital „ein Zwischenprodukt von Natur und Arbeit, weiter
nichts. Seine eigene Entstehung, sein Dasein, sein Weiter-
wirken sind nichts als Etappen im ununterbrochenen Wirken
der wahren Elemente, Natur und Arbeit. Sie und sie allein
leisten von Anfang bis zu Ende alles ftir die Entstehmig
der Genufsgiiter“ x . Die Natur aber bildet, wie oben nach
gewiesen, kein Element der absoluten Kosten. Als solches
gilt nur die menschliche Arbeit. Das gibt uns das Recht,
das ganzo gesellschaftliche Produkt als das Produkt der
gesellscliaftLichen Arbeit zu betrachten 2 .
1 Bdhra-Bawerk, Positive Theorie des Kapitals, S. 102.
9 »Bodeti Oder Natur und Kapital sind keineswegs der Arbeit als Pro-
duktionsfaktoren koordiniert, sondem ihr durch aus untergeordnet. Die
Arbeit ist eben der aileinige aktive Faktor der Produktion, die Natur liefert
nur Stoffe fur die Betiitigung der Arbeit, oder ursprunglich freie Krafte,
deren Yenvertung nur durch Arbeit mdglich ist. Das Kapital in seiner
objektiven Ei*scheinung als Bestand an schon produzierten Hilfsmitteln der
Produktion kann iiberhaupt kein primarer Faktor der Produktion sein, da
es eben selbst schon Produkt ist tt Lexis 5 Aufsatz „Produktion u im „Hand-
worterbuch der Staatswissenschaften. u Erste Auflage, Bd. V, S. 284.