ZUM THEMA PROGNOSE
Zu Beginn möchte ich eine Bemerkung über die Funktion der Prognose im
Rahmen unserer Wirtschaftspolitik machen. Man kann sich auf den
Standpunkt stellen -den ich teile - daß es sich bei dieser Prozedur genau
genommen nicht um eine Prognose handelt, sondern um eine Koordination der
Erwartungen der verschiedenen Kommandostellen und Stäbe, die die
Wirtschaftspolitik bestimmen. Daß eine solche Koordination tatsächlich
eine Rolle - und zwar eine positive - bei der Durchführung unserer
Konsenspolitik spielt, ist, glaube ich, ohne weiters einsichtig im Falle
der Preise und Löhne. Das mag auch damit Zusammenhängen, daß die Prognose
(im eigentlichen Sinn) auf diesem Gebiet eindeutig erfolgreich ist. Die
Koordination zwischen den Absichten der Sozialpartner und zwischen diesen
und der Geld-und Währungspolitik ist in der Tat ein Kernpunkt des Erfolgs
auf diesem Gebiet der kurzfristigen Politik gewesen.
Nicht ganz so überzeugend scheint die Sache auf anderen Gebieten zu
liegen, etwa bei den Investitionen. Wirkt es stabilisierend wenn die
Leute ihre Erwartungen in Bezug auf den Verlauf der Investitionen
koordinieren? Man möchte denken, daß die Zusammenballung der
Investitionen im Boom und die Lethargie in der Depression etwas mit
Nachahmung oder Ansteckung zu tun haben. Man denkt hier auch an die oft
pro-zyklische Investitionspolitik der öffentlichen Hand, soweit es sich
um die Gebiets-Körperschaften handelt. Es hängt hier wahrscheinlich
vieles vom Verständnis und Bewußtsein der Partner in diesem Kreise ab.
Die erwähnten Bedenken erscheinen freilich überflüssig, wenn man bedenkt,
daß die Investoren, private und viele öffentliche, ja in dem
Prognosekreis nicht vertreten sind, was aber heißt daß die
Koordinationsfunktion auf diesem Gebiet gar nicht Platz greifen kann.
Ähnliche Zweifel bezüglich der Wünschbarkeit der Koordination- vielleicht
noch stärkere - wie bei der Investition ergeben sich auf dem Gebiete der
finanziellen Märkte. Eine Koordination der Erwartungen wird prima facie
kaum als stabilisierend anzusehen sein, vielmehr im Gegenteil. Wenn alle
an Boom oder Hausse bei Wertpapieren oder Devisen glauben, macht das
wohl ein Gleichgewicht unmöglich. Wenn ich diese Zweifel zur Sprache
bringe so geschieht das sozusagen contre coeur, denn ich sympathisiere im
allgemeinen mit der Koordinationsfunktion der Prognose.
Nichtsdestoweniger kann man auch von diesem Standpunkt nicht leugnen daß
die Koordination der Erwartungen einen rationalen Kern hat, das heißt,
daß sie auf Elementen einer wirklichen Prognose beruht. Auf sie muß also
im folgenden eingegangen werden. Die kurzfristige Prognose ist von
vornherein dadurch belastet, daß zu hohe Ansprüche an sie gestellt werden
bzw. zu viel von ihr erwartet wird. Zu dieser Haltung haben die Ökonomen
selbst nicht wenig beigetragen, jedenfalls dadurch daß sie die begrenzten
Möglichkeiten der Voraussicht nicht genügend betont haben. Die Optik der
Prognose wird auch dadurch beeinflußt, daß fast nur Wachstumsraten
angegeben werden; die Prognose bezieht sich aber eigentlich auf das ganze
BNP und ein Fehler von einem Prozent gewinnt eine andere Bedeutung wenn
man sich das vor Augen hält.
Es wird immer wieder darauf hingewiesen, daß die Verwaltung eindeutige
Prognosen verlangt, etwa um ein Budget aufstellen zu können, oder daß
Politiker sich auf bestimmte Vorgaben für zukünftige Budgetdefizite
geeinigt haben. Sie haben sich vermutlich dabei auf die Annahme gestützt,
daß die Ökonomen ihnen die Prognosen liefern werden. Aber die Aufgabe des
Instituts sollte es eher sein, die Politiker vor trügerischen Illusionen
zu warnen als sie darin zu unterstützen.
Mehr als alles andere aber provoziert die Prognose die Kritik des
berufsmäßigen Ökonomen. Es mangelt ihr an adequaten theoretischen
Grundlagen und an Transparenz. Sie erinnern in dieser Hinsicht etwas an
die diversen Prognosen kommerziell orientierter Institute, die ihrer
Begründung und eigentlichen Bededeutung nach undurchsichtig sind. Den