Full text: Brief von Josef Steindl an die Magistratsabteilung 12 (Amt der Wiener Landesregierung)

Wien, 14- November 1977 
An das ^mt der Biener Landesregierung 
Magistratsabteilung 12. 
Wien I. Schottenring 24 
MA 12 - 46.601/§506 
Steindl Dr Josef 
Sehr geehrte Herren! 
Ihrem Wunsch entsprechend gebe ich eine Schilderung der Umstände, die 
zur Auflösung meines Dienstverhältnisses und meiner 3mrfigrati>n im 
Jahre 1938 führten 
In einem kleinen wissenschaftlichen Institut wie dem Institut 
für K njunkturf rschung waren alle Mitarbeiter über die politische 
Einstellung ihrer K liegen genau unterrichtet Meine entschiedene 
Gegnerschaft gegen den Faschismus und das Naziregime war daher 
den N8DAP - ^arteistellen bekannt, da sie ja, wiesich herausstellte, 
Vertreter tjnter den Mitarbeitern hatten. Eine solche Gegnerschaft 
genügte durchaus um einem jungen Menschen jede wissenschaftliche 
Laufbahn, j a selbst eine journalistische Tätigkeit im damaligen 
Deutschen ^eich für alle Zeit unmöglich zu machen. 
Ich wurde im März 1938 kurze Zeit nach dem Einmarsch der deutschen 
Truppen ausser Dienst gestellt, das heisst, ich durfte das Institut 
nicht mehr betreten (" Packen Sie Ihre Sachen und gehen Sie nach Haus"). 
Meine angestelltenrechtlichen Ansprüche bis zum Ablauf der Kündigungsfrist 
im Juni wurden jedoch erfüllt. Zum kommissarischen Leiter des Instituts 
wurde ein wissenschaftlicher Mitarbeiter v n der NSDAP eingesetzt, 
Dr. Karnitz, der mir die Ausserdienststellung mitteilte. Er erkl rte 
mir das mit einer Entscheidung der Harteistellen der NSDAP, die 
meinen Aufenthalt im Institut nicht für tragbar hielten. 
Gleichzeitig mit mir wurde auch ein Kollege, Dr Adolf Kizlik, aus 
politischen Gründen ausser Bienst gestellt Der Direktor H r f.M rgenstern, 
war sch m v rher entheben wmden 
Die F rmulierung im Kündigungsbrief wie im Dienstzeugnis 
( dass das Dienstverhältnis im Hinblick auf die geänderten Verhältnisse 
in der Ostmark nach dem 11 3 1938 aufgelöst werde Musste ), drückt 
nichts anderes aus als dass ich in Anbetracht der geänderten politischen 
Machtv rhältnisse für das Institut nicht als tragbar erachtet wurde. 
II chachtungsvoll 
Dr J sef Steindl
	        
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