Full text: Trauerrede für Josef Steindl

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zu einer weiten interdisziplinären Sicht befähigte. Steindl 
war nicht nur ökonomisch umfassend belesen, er hatte stets 
auch ein aktives Interesse an den anderen Sozialwissen 
schaften wie auch an den Naturwissenschaften und Technik. 
Dazu kam ein intensives künstlerisches Interesse, vor allem 
an Musik, aber auch für Literatur und Film. 
Wie so mancher andere bedeutende Österreicher fand Steindl 
im eigenen Land weniger und später als in anderen Ländern 
die Anerkennung, die er verdiente. Als im Vorjahr aus Anlass 
seines 80. Geburtstages in Wien zu seinen Ehren eine wissen 
schaftliche Konferenz veranstaltet wurde, kamen Ökonomen 
aus verschiedensten Ländern, insbesondere England, USA und 
Italien, um ihm ihre Wertschätzung zu erweisen. Sein Buch 
über die amerikanische Wirtschaft wurde in mehrere Sprachen 
übersetzt, allerdings nicht ins Deutsche. Und voriges Jahr 
erschien eine Sammlung seiner wichtigsten Arbeiten bei einem 
der bedeutendsten englischen Verlage, bei Macmillan. 
Steindls Werk wird weiterleben und weiter wirken. Was uner 
setzlich verloren ist, ist ein ausserordentlicher Mensch, 
ein ausserordentlicher Charakter. Josef Steindl war ein 
stiller, bis zu einem gewissen Grad scheuer Mensch, der 
sich nie in Szene setzte. In diesem Sinn war er zweifellos 
und bewundernswert "unmodern". Aber wenn er im Kreis seiner 
Freunde war und in einer intellektuell anregenden Umgebung, 
dann konnte er ein ungemein stimulierender, kritischer, 
aber auch humorvoller Partner sein, dem man gern zuhörte, 
der aber auch selbst zuhören konnte und immer neuen Gedanken 
und Ideen zugewandt blieb. Diese Kombination von unpräten 
tiösem Verhalten und Offenheit gegenüber anderen Ideen er 
klärt auch, dass er bis zuletzt zu jüngeren Generationen 
Kontakt finden und bewahren konnte. Vor allem aber war 
Steindl - und das möchte ich jetzt ganz einfach sagen, obwohl 
es sehr viel enthält - ein anständiger Mensch, in des Wortes 
weitester Bedeutung. Sein Mitgefühl und seine Hilfsbereit 
schaft gegenüber anderen Menschen war immer präsent und
	        
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