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ihren Söhnen sozusagen als Wiegengeschenk mitgibt, erst
mühselig erringen. Wenn der britische Kaufmann mit seinem
commerziellen Wissen auf dem Schatze einer praktisch an
geeigneten, Jahrhunderte alten Erfahrung fußen konnte, so
wollte sein continentaler Wettbewerber mit Hilfe eines die
Erfahrungen aller Völker systematisch ordnenden und ein
prägenden Studiums sich einen ebenso weiten Horizont schul
mäßig erringen.
So schuf sich denn Frankreich in seiner Ecole libre
des Sciences politiques und in der Ecole des hautes etudes
commerciales (1881), Belgien in dem Institut commercial
von Antwerpen (1852, dreijährig seit 1897) Vorbilder
hoher und doch kaufmännischer Bildung; Nordamerika
ahmte auch mit seiner Wharton School of Finance and Poli
tical Economy (Philadelphia 1881, vierjährig) die fremden
Einrichtungen in vergrößertem Maßstabe und mit verjüngen
der Originalität nach; im Jahre 1895 gab England selbst
seine zögernde Haltung auf und trat mit der »London School
of Economics and political Science« in die Weltconcurrenz
des Handelshochschulwesens ein. Diese ganze Entwicklung
ist von Richard Ehrenberg so sachkundig, so knapp und so
anregend geschildert worden, dass an dieser Stelle ein Hin
weis auf dessen bekannte Darstellung genügen dürfte. Seither
haben Deutschland (Handelshochschule von Leipzig 1898,
handelswissenschaftliche Abtheilung der technischen Hoch
schule von Aachen 1898 etc.), Italien (Mailand 1898), die
Schweiz (St. Gallen 1898), Russland (geplante »commerzielle
Universität« von Moskau mit Doctores rerum commercialium)
ähnliche Bahnen betreten; selbst das kleine Finnland schickt
sich an, seine neue Handels-Akademie mit einer Handelshoch
schule zu krönen, die wegen ihrer schwedischen Unterrichts
sprache von —- Deutschen besonders besucht werden dürfte.
Mit gerechter Genugthuung darf der Oesterreicher darauf
hinweisen, dass nach Ehrenberg eine ausdrücklich als solche
bezeichnete »Handelshochschule« zum erstenmale in Wien
aufgetaucht sein dürfte. Nach Sonndorfer’s lehrreicher Studie
über den »höheren commerziellen Unterricht in Oesterreich«*)
. *) Centralblatt für das gewerbliche Unterrichtswesen in Oesterreich,
VI, 1888.