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erzählt Ehrenberg am angeführten Orte die Leidensgeschichte
dieses ersten Versuches auf unserem Gebiete. Das Datum
des genehmigenden behördlichen Decretes ersetzt im Grunde
alle weiteren Auseinandersetzungen: Juli 1873, also gerade
post festum! Was ist in diesem Jahre Alles zu Grabe
getragen worden, was einer Handelshochschule den nähren
den Boden, ihren Absolventen einen ehrenvollen Wirkungs
kreis gewährt hätte! Das Zügenglöcklein des 9. Mai hat auch
der noch ungeborenen Handelshochschule den Grabgesang
geläutet; vier Jahre später segnet sie das Zeitliche. Sie
musste zusammenbrechen, weil ihr in der allgemeinen wirth-
schaftlichen Noth die Subventionen entzogen wurden, die
man in dulci jubilo in Aussicht genommen hatte. Mit Recht
hebt Ehrenberg hervor, dass unter solchen Umständen eine
Anzahl von 114 mit Maturitätszeugnis versehenen ordent
lichen (neben 251 außerordentlichen) Hörern nicht als Miss
erfolg betrachtet werden kann.*) Von dieser kurzlebigen
Organisation — der ersten akademischen Neubildung nach dem
1865 erfolgten Eingehen der commerziellen Abtheilung des
Wiener Polytechnicu-ms —■ sei übrigens nur so viel erwähnt,
dass sie in drei Abtheilungen (für Waren, Bank- und Com-
municationswesen) gegliedert war, auf völliger Lehr- und
Lernfreiheit beruhte, eine Studiendauer von vier Semestern
vorschrieb und von der Wiener Handels-Akademie gewisser
maßen als ein Ueberbau ihrer Mittelschule organisirt wurde.
Die noch jetzt recht zahlreichen ehemalig'en Hörer betvahren
dieser Hochschule ein dankbares Andenken. Es wurde zwar
nach ihren übereinstimmenden.Berichten nicht viel gelernt,
aber desto mehr gelehrt, angeregt, ausgesät. Bei der kurzen
Dauer des ganzen Experimentes ist es kaum viel mehr als
ein Symptom des Bedürfnisses nach Erhöhung des kauf
männischen Bildungsniveaus, eines Bedürfnisses, welches
sich in demselben Grade hervordrängt, in welchem sich mit
der wirthschaitlichen Fortentwicklung die Anforderungen an
*) In demselben Sinne spricht sich Zehden (a. a. O., S. 13) aus, mit be
sonderer Hervorhebung des Umstandes, »dass sich aus den Trümmern der Handels
hochschule einzelne Theile derselben zu bleibender Existenz erhoben«, so der
Postcurs, die Fortbildungsschule für Eisenbahnbeamte, der Versicherungscurs, die
Abiturientencurse und »die in Bildung begriffene Export-Akademie«.