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den geistigen Horizont des Kaufmannes erweitern. Dasselbe
gilt aus anderen Gründen von dem Istituto Rivoltella in
Triest mit seinen 18—28 Hörern und dem Abiturientencurs
der Wiener Handels-Akademie mit seiner einjährigen Studien
dauer; beide sind eher Symptome als Befriedigungsmittel
des vorhandenen Bedürfnisses nach Vereinigung kaufmänni
schen Wissens mit hochschulmäffiger Bildung, des Bedürf
nisses, mit dem alten Vorurtheile von der Unverträglichkeit
kaufmännischer Tüchtigkeit und langjähriger Schulbildung
aufzuräumen. Ist es doch schon seit Langem bestehende Praxis
der großen Bankinstitute, Eisenbahn Unternehmungen, Ver-
sicherungs- und Actiengesellschaften, für ihre leitenden
Stellungen mit Vorliebe absolvirte Doctoren der Rechte aus
zuwählen ; warum sollten sie also auf die Dauer vor Doctoren
der Handelswissenschaften zurückschrecken?
Gerade in Wien nun suchte sich das Bedürfnis nach
kaufmännischer Bildung schon neben jener ersten Handels
hochschule auch noch auf einem ganz anderen Boden geltend
zu machen; es erstand eine Organisation, welche speciell im
Interesse des Außenhandels und seiner Förderung den Ge
sichtskreis der jungen Kaufleute erweitern sollte.
Am 21. October .1874 wird das »Orientalische Museum«
gegründet. Es ist merkwürdig, wie schon in der Eröffnungs
rede*) des nachmaligen Rcichs-FinanzministersDr. v. Hofmann,
einer bekanntlich mit vielseitiger Empfänglichkeit dem Wiener
Leben zugewendeten Persönlichkeit, Accente angeschlagen
werden, die noch heute keineswegs verklungen sind, viel
mehr gerade durch die Ereignisse der letzten Jahre erst
ihre volle Resonanz erlangt haben. In jener Rede findet sich
nämlich bereits folgender Passus: »Gewiss, Sie Alle, Meine
Herren, werden mir beistimmen, wenn ich als Haupt
ursache der mangelhaften Entwicklung unserer Ver
kehrsbeziehungen zu den Ländern des näheren
und entfernteren Orients den Umstand bezeichne,
dass der österreichische Kaufmannsstand jenem
anderer Industrieländer gegenüber in den Emporien
des Ostens quantitativ und qualitativ — zum min-
*) Bericht über die erste Generalversammlung (1875),