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einheit gefährden, es ist schwer beweisbar und unterdrückt
gewöhnlich den wirtschaftlich Schwächeren. Die gesetzliche
Regelung verdient gewiss vor dem Gewohnheitsrechte den
Vorzug. Allein so steht nicht die Frage, es handelt sich viel
mehr darum, ob mangels einer handelsrechtlichen Gesetzes
norm Gewohnheitsrecht oder bürgerliches Recht zur An
wendung zu kommen hat. Die Beantwortung dieser Frage
muss zu Gunsten des Gewohnheitsrechtes ausfallen.
Gerade in Flandelssachen pflegt der Gesetzgeber erst
dann mit Erfolg einzug-reifen, wenn das betreffende Institut
durch das Gewohnheitsrecht geregelt und durch Rechts
sprechung und Wissenschaft zur Legislation reif geworden
ist. Die vorliegende Codification des deutschen Handels
rechtes zeigt die Unentbehrlichkeit des Gewohnheitsrechtes.
In demselben finden sich Neuregelungen, welche wohl nicht
möglich gewesen wären, ohne dass das Gewohnheitsrecht
dem Gesetzgeber vorgearbeitet hätte. Jene Abschnitte, welche
von der Regelung der Rechtsverhältnisse der Agenten, der
Lagerhalter und dem Conto-Corrent-Verhältnisse handeln,
bringen mehr oder weniger jene Rechtsnormen, welche das
Gewohnheitsrecht gezeitigt hat, in Paragraphenform. Das
bürgerliche Recht wäre für diese Verhältnisse gewiss nicht
ausreichend gewesen. Und darum ist die Verstopfung dieser
Rechtsquelle gerade im Interesse des Handelsverkehres leb
haft zu beklagen, da noch viele handelsrechtliche Materien
ihrer Erledigung durch den Gesetzgeber harren. Die Usance
hat ihre bindende Kraft allerdings mit der Einschränkung
nur auf Kaufleute behalten, das Gewohnheitsrecht soll sie
verlieren. Eine Verdrängung des Gewohnheitsrechtes durch
das bürgerliche Recht scheint derzeit in Handelssachen
geradezu unmöglich zu sein. Das' Gewohnheitsrecht dürfte
deshalb auf dem Wege der Usance in das Rechtsleben
einsickern, ein Weg, welcher wohl nicht zum Vortheile des
Rechtslebens gereicht und wahrscheinlich auch mit der Ab
sicht des Gesetzgebers in Widerspruch steht, welcher, wie es
den Anschein hat, das Geltungsgebiet der Usance einschränken
wollte.