Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K.K. Österreichischen Handels-Museums (1)

15 
einheit gefährden, es ist schwer beweisbar und unterdrückt 
gewöhnlich den wirtschaftlich Schwächeren. Die gesetzliche 
Regelung verdient gewiss vor dem Gewohnheitsrechte den 
Vorzug. Allein so steht nicht die Frage, es handelt sich viel 
mehr darum, ob mangels einer handelsrechtlichen Gesetzes 
norm Gewohnheitsrecht oder bürgerliches Recht zur An 
wendung zu kommen hat. Die Beantwortung dieser Frage 
muss zu Gunsten des Gewohnheitsrechtes ausfallen. 
Gerade in Flandelssachen pflegt der Gesetzgeber erst 
dann mit Erfolg einzug-reifen, wenn das betreffende Institut 
durch das Gewohnheitsrecht geregelt und durch Rechts 
sprechung und Wissenschaft zur Legislation reif geworden 
ist. Die vorliegende Codification des deutschen Handels 
rechtes zeigt die Unentbehrlichkeit des Gewohnheitsrechtes. 
In demselben finden sich Neuregelungen, welche wohl nicht 
möglich gewesen wären, ohne dass das Gewohnheitsrecht 
dem Gesetzgeber vorgearbeitet hätte. Jene Abschnitte, welche 
von der Regelung der Rechtsverhältnisse der Agenten, der 
Lagerhalter und dem Conto-Corrent-Verhältnisse handeln, 
bringen mehr oder weniger jene Rechtsnormen, welche das 
Gewohnheitsrecht gezeitigt hat, in Paragraphenform. Das 
bürgerliche Recht wäre für diese Verhältnisse gewiss nicht 
ausreichend gewesen. Und darum ist die Verstopfung dieser 
Rechtsquelle gerade im Interesse des Handelsverkehres leb 
haft zu beklagen, da noch viele handelsrechtliche Materien 
ihrer Erledigung durch den Gesetzgeber harren. Die Usance 
hat ihre bindende Kraft allerdings mit der Einschränkung 
nur auf Kaufleute behalten, das Gewohnheitsrecht soll sie 
verlieren. Eine Verdrängung des Gewohnheitsrechtes durch 
das bürgerliche Recht scheint derzeit in Handelssachen 
geradezu unmöglich zu sein. Das' Gewohnheitsrecht dürfte 
deshalb auf dem Wege der Usance in das Rechtsleben 
einsickern, ein Weg, welcher wohl nicht zum Vortheile des 
Rechtslebens gereicht und wahrscheinlich auch mit der Ab 
sicht des Gesetzgebers in Widerspruch steht, welcher, wie es 
den Anschein hat, das Geltungsgebiet der Usance einschränken 
wollte.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.