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wesens sich so anschaulich gezeigt und so viele Aufmerksam
keit der gesetzgeberischen Gewalt in Anspruch genommen
haben als in Deutschland.« Der russische Motivenberieht
bespricht die Geschichte der deutschen Actienrechtsentwicke-
lung, die Novellen vom 11. Juni 1870 und vom 18. Juni 1884.
Die letztere charakterisirt er wie folgt: »Der Gesetzgeber
des Jahres 1884 blieb dem Anzeigesysteme treu und ver
besserte und ergänzte in hohem Grade den Typus des
Normativsystems. Aber auch unter dem neuen Gesetze
ging die Entwickelung der deutschen Industrie und des
Handels in demselben beschleunigten Tempo wie bis zum
Jahre 1884. Dafür wurden in dieser zweiten Periode der
Wirksamkeit des Normativsystems die Zusammenbrüche
der Actiengesellschaften, die Fälle der Verminderung des
Grundcapitales und der plötzlichen Liquidationen der
selben viel seltener; und noch wichtiger war der Umstand,
dass das neue Gesetz die Unternehmungslust der Gründer
und die Wirkung der .Reelamen der Banquiers in sach
liche Grenzen gewiesen hat. Im allgemeinen haben durch
das Gesetz vom Jahre 1884 weder die Interessen der Industrie
und des Handels, noch diejenigen des Actienwesens auch
nur das Geringste verloren, sondern nur gewonnen.«
Die Anerkennung, deren sich das deutsche Actienrecht
heute erfreut, ist eine ungetheilte; keine Actienreform kann
heute stattfinden, ohne an die deutsche sich ans Engste an
zuschließen und dieselbe zum Muster zu nehmen. Der Frage
bogen, welchen die österreichische Regierung ausgeschickt
hat, um die Ansichten wichtiger Corporationen über ein
künftiges Actienrecht zu hören, zeigt schon durch seine Frage
stellung, dass die Berücksichtigung des deutschen Actien-
rechtes auch durch den österreichischen Gesetzgeber bei
einer Reform des Actienwesens geplant wird. Es erscheint
daher von Interesse, die Grundprincipien des deutschen
Aktienrechtes kennen zu lernen und den Unterschied unseres
und des deutschen Rechtszustandes hervorzuheben. Eine
solche Darstellung kann sich naturgemäß nur mit dem Systeme,
dem Aufbau und den Hauptbestimmungen des deutschen
Rechtssystems beschäftigen; von Details muss abgesehen
werden.