Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (2)

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sagenden, vielleicht sogar qualvollen Berufes, weil er keine Möglichkeit 
hat oder kennt, einen anderen zu ergreifen. Wie viele tüchtige Leute 
gibt es gerade im Handelsstande, die infolge ihrer speciellen Ausbildung 
in einer Branche bei günstiger Conjunctur hohe Ansprüche stellen 
dürfen, aber im Falle einer ungünstigen Geschäftslage noch viel häufiger 
keine andere Stelle erlangen können. Der moderne junge Mensch 
muss, um für den Kampf im Leben wohl ausgerüstet zu sein, außer 
einem größeren allgemeinen Wissen ein derartiges Fachwissen besitzen, 
welches ihm die Ausübung verschiedenartiger Berufsthätigkeit ermöglicht. 
Das kann nur die Schule und nie die Praxis vermitteln. Darauf ist 
auch oft die Überlegenheit einzelner Individuen und Nationen zu 
rückzuführen. Die gute alte Zeit warf den Großhändlern und In 
dustriellen infolge des Mangels an internationaler Concurrenz große 
Gewinne in den Schoß, und der Kleinhandel war durch den Zunftzwang 
hinreichend geschützt, um, ohne große Kenntnisse vorauszusetzen, 
seinen Mann zur Wohlhabenheit zu führen, wenn er hauszuhalt'en 
verstand. 
Der große Aufschwung in der Technik, dem Verkehr und den 
Wissenschaften hat den Handel vollständig umgestaltet. Einige begreifen 
rascher, andere leider zu ihrem Nachtheile langsamer, dass es nun anderer 
Eigenschaften und Methoden bedarf als vorher, um als Kaufmann 
reüssieren zu können. 
Sollen aber die Vorbildungsschulen für den Handelsstand stets 
den an sie zu stellenden Anforderungen genügen, so müssen die sich 
in der kaufmännischen Praxis ergebenden Veränderungen aufmerksam 
beachtet und die Einrichtungen der Schulen dementsprechend auch 
umgestaltet werden. Auf keinem Gebiete ist Stillstand so sehr 
Rückschritt wie im Handelsverkehr, und nicht alle Fachschulen haben 
das Unglück, dass, wenn sie nicht gänzlich Modernes lehren, die 
Schüler mehr Schaden als Nutzen davon haben, wie dies bei den 
kaufmännischen Unterrichtsanstalten der Fall ist. Deshalb bedürfen auch 
gerade die Handelslehranstalten fortwährender Reformen, wenn sie ihrer 
Aufgabe gewachsen bleiben sollen. 
Wenn man das Handelsschulwesen überblickt, dessen Entwicklung 
und Stand in den verschiedenen Ländern einem größeren Werke Vor 
behalten werden soll, so kann constatiert werden, dass in keinem Staate 
den geänderten Verhältnissen entsprechend der Handelsunterricht so 
häufig umgestaltet wurde, wie in Österreich; dies muss einerseits mit 
Befriedigung erfüllen, ist aber andererseits leider auch darauf zurück 
zuführen, dass dem stärker zutage tretenden Bedürfnisse nicht selten 
viel zu geringe finanzielle Mittel gegenüberstanden, weshalb eine Reform 
eingeschränkt oder nach einiger Zeit wieder aufgehoben werden musste, 
so dass dann wieder für neue Reformen Gelegenheit, Grundlagen und 
Mittel vorhanden waren.
	        
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