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Vergleicht man diese drei Prüfungsordnungen untereinander, so
ist ein entschiedener Fortschritt unverkennbar; vergleicht man aber
die nunmehr geltenden zwei Prüfungsvorschriften mit den im Auslande
bestehenden Bestimmungen dieser Art, so ergibt sich, dass dieselben
unter den angeführten Verordnungen die klarsten und präcisesten —
zwei wichtige Eigenschaften jeder Prüfungsordnung — sind, aber auch
von den Candidaten verhältnismäßig am meisten verlangen. Den Prüfungs
ordnungen nach müssten wir also die besten Lehrer haben, wenn nicht die
mangelnde Ausbildungs-Möglichkeit hindernd wirken würde. Da eine
Prüfung nie ein so gleichmäßiges Wissen verbürgt wie eine gleich
artige Schulung, ist die Befähigung der Lehrer für ihren Beruf sehr
verschieden; es kommt nicht selten vor, dass bessere Lehrer eine
minder gute Prüfung machen.
Als die gelungenste Prüfungsordnung kann diejenige für zwei-
classige Schulen bezeichnet werden, wozu nur noch eine Ergänzung
bezüglich der Sprachengruppe wünschenswert wäre.
An Stelle der drei, beziehungsweise vierjährigen Praxis wäre ein
zwei- bis dreijähriges Hochschulstudium und eine ein- bis zwei
jährige Praxis vorthei lhafter.
Die Prüfungsordnung für das Lehramt an höheren Handelsschulen
vom Jahre 1899 stellt sehr große Anforderungen an den Candidaten;
dies erscheint aber nur berechtigt, wenn man bedenkt, dass von einem
Professor einer höheren Lehranstalt verlangt werden muss, dass er an
Wissen dem Lehrer an zweiclässigen Schulen überlegen ist und den
Gegenstand in seiner ganzen Ausdehnung beherrschen muss.
Durch die in dem nächsten Jahrzehnt gewiss zu erwartende Er
weiterung der commerciellen Wissensgebiete wird auch eine ganz be
deutende Erweiterung des Wissensstoffes von den Candidaten gefordert
werden müssen, wodurch eine Theilung der ersten Gruppe in zwei
Gruppen eintreten müssen wird, und zwar in
I. Gruppe A: Buchhaltung, Correspondenz, Mustercomptoir.
L Gruppe B: Kaufmännisches Rechnen, politische Arithmetik
und internationale Handelskunde.
Als Nebenfächer wären für beide Gruppen (A und B) Wirt
schafts- und Rechtskunde sowie Handelsgeographie beizubehalten. Dass
der letztere Prüfungsgegenstand für Candidaten der commerciellen
Fächer weggefallen ist, ist sehr zu bedauern, da ein tüchtiger
commercieller Fachlehrer auch Kenntnisse in der Handelsgeographie
haben muss. Es ist aber leicht einzusehen, dass man diesen
Gegenstand weglassen musste, um die Candidaten nicht zu sehr zu
belasten.
Da die meisten höheren Handelsschulen in kurzer Zeit in
Handelsakademien umgewandelt sein werden, so wäre auch die neue
Verordnung «für Candidaten des Lehramtes an Handelsakademien»
umzutaufen.