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nungsführung, in der Warenkunde, in der Handelsgeschichte etc. eine
wissenschaftliche Forschung möglich ist, und dass sich die eigent
liche Handelswissenschaft, welche in der Handelskunde — ein weder
in Bezug auf Inhalt noch hinsichtlich des Umfanges einheitlich betriebener
Gegenstand — bereits ihre Vorläuferin hat, erst nach Verlauf einiger
Zeit herausbilden kann, da auf diesem Gebiete vorerst noch wichtige,
grundlegende Specialarbeiten fehlen, die selbstredend erst dann geleistet
werden können, wenn das hiezu erforderliche, oft umfangreiche Material
gesammelt vorhanden ist und einzelne Lehrkräfte derartig gestellt sind,
dass sie ihren Verdienst nicht zum größeren Theile außerhalb ihres
Amtes durch Überstunden und andere Nebenbeschäftigungen erwerben
müssen. Die Gelegenheit zu Forschungen und zur wissenschaft
lichen Verarbeitung der Ergebnisse ist auf dem commer-
ciellen Gebiete auch vorhanden, es fehlte bisher nur das directe
Bedürfnis, daher das Interesse und die Arbeitskräfte hiefür.
Diese Vorbedingungen sind eben erst im Entstehen begriffen. .
Der Einwurf vieler praktischer Kaufleute, dass ein absol
vierter Hochschüler kein tüchtiger, praktischer Kaufmann zu werden
verspricht, steht vor allem im crassen Widerspruche mit der immer fast
gleichzeitig angeführten Thatsache, dass die jungen Leute, die bisher in
die Geschäftspraxis traten, viel zu wenig können, und beruht auf dem
Irrthum, dass eine hochschulartige Bildung durch die höhere Behandlung
des Faches abstracter würde und der Praxis daher weniger Vortheile
bringen kann, was gewiss nicht der Fall ist, wenn der Vortragende auch
die Bedürfnisse der Praxis kennt. Dieselben Widersprüche der Praktiker
und Theoretiker wurden zur Zeit der Errichtung technischer Hochschulen
laut, und welch ein Gruseln befällt noch heute manchen Landwirt,
wenn ihm gerathcn wird, er solle seinen Sohn an eine landwirtschaft
liche Hochschule geben. Kein verständiger Mensch kann heute leugnen,
dass aus der Verbindung von Theorie und Praxis, von Wissen und
Erfahrung viele und wichtige Resultate sich ergeben haben, dass die
technischen Hochschulen, insbesondere wenn sie durch reichste Dotierung
Specialfächer pflegen und Specialfachleute erhalten können, große
Errungenschaften aufzuweisen haben. Warum sollte dies auf jenem
Gebiete menschlicher Thätigkeit, welches die Erde umfasst und viel
einschneidender in unser Leben eingreift, als wir glauben und merken,
anders sein? Gründlicheres Wissen muss jeden Menschen für jede
Thätigkeit brauchbarer machen, es kann nie schädlich, sondern nur
vortheilhaft sein; denn gründliche Bildung befördert die Genauigkeit,
Sorgfalt, Überlegung und Formvollendung u. s. w., kurz alle Eigen
schaften, die den Erfolg jedweder Thätigkeit beeinflussen.' Wirkliche
Bildung kann dem Kaufmanne nur nützen; das geben gerade
diejenigen Kaufleute zu, welche infolge geringerer Bildung mit großen
Schwierigkeiten zu kämpfen hatten und manche Erfahrungen mit Ver
lusten bezahlen mussten.
Es wird aber auch von den Zweiflern ganz übersehen,, dass die
Wissenschaft ja gerade die Aufgabe hat, «um ihrer selbst willen» die
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