Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (2)

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nungsführung, in der Warenkunde, in der Handelsgeschichte etc. eine 
wissenschaftliche Forschung möglich ist, und dass sich die eigent 
liche Handelswissenschaft, welche in der Handelskunde — ein weder 
in Bezug auf Inhalt noch hinsichtlich des Umfanges einheitlich betriebener 
Gegenstand — bereits ihre Vorläuferin hat, erst nach Verlauf einiger 
Zeit herausbilden kann, da auf diesem Gebiete vorerst noch wichtige, 
grundlegende Specialarbeiten fehlen, die selbstredend erst dann geleistet 
werden können, wenn das hiezu erforderliche, oft umfangreiche Material 
gesammelt vorhanden ist und einzelne Lehrkräfte derartig gestellt sind, 
dass sie ihren Verdienst nicht zum größeren Theile außerhalb ihres 
Amtes durch Überstunden und andere Nebenbeschäftigungen erwerben 
müssen. Die Gelegenheit zu Forschungen und zur wissenschaft 
lichen Verarbeitung der Ergebnisse ist auf dem commer- 
ciellen Gebiete auch vorhanden, es fehlte bisher nur das directe 
Bedürfnis, daher das Interesse und die Arbeitskräfte hiefür. 
Diese Vorbedingungen sind eben erst im Entstehen begriffen. . 
Der Einwurf vieler praktischer Kaufleute, dass ein absol 
vierter Hochschüler kein tüchtiger, praktischer Kaufmann zu werden 
verspricht, steht vor allem im crassen Widerspruche mit der immer fast 
gleichzeitig angeführten Thatsache, dass die jungen Leute, die bisher in 
die Geschäftspraxis traten, viel zu wenig können, und beruht auf dem 
Irrthum, dass eine hochschulartige Bildung durch die höhere Behandlung 
des Faches abstracter würde und der Praxis daher weniger Vortheile 
bringen kann, was gewiss nicht der Fall ist, wenn der Vortragende auch 
die Bedürfnisse der Praxis kennt. Dieselben Widersprüche der Praktiker 
und Theoretiker wurden zur Zeit der Errichtung technischer Hochschulen 
laut, und welch ein Gruseln befällt noch heute manchen Landwirt, 
wenn ihm gerathcn wird, er solle seinen Sohn an eine landwirtschaft 
liche Hochschule geben. Kein verständiger Mensch kann heute leugnen, 
dass aus der Verbindung von Theorie und Praxis, von Wissen und 
Erfahrung viele und wichtige Resultate sich ergeben haben, dass die 
technischen Hochschulen, insbesondere wenn sie durch reichste Dotierung 
Specialfächer pflegen und Specialfachleute erhalten können, große 
Errungenschaften aufzuweisen haben. Warum sollte dies auf jenem 
Gebiete menschlicher Thätigkeit, welches die Erde umfasst und viel 
einschneidender in unser Leben eingreift, als wir glauben und merken, 
anders sein? Gründlicheres Wissen muss jeden Menschen für jede 
Thätigkeit brauchbarer machen, es kann nie schädlich, sondern nur 
vortheilhaft sein; denn gründliche Bildung befördert die Genauigkeit, 
Sorgfalt, Überlegung und Formvollendung u. s. w., kurz alle Eigen 
schaften, die den Erfolg jedweder Thätigkeit beeinflussen.' Wirkliche 
Bildung kann dem Kaufmanne nur nützen; das geben gerade 
diejenigen Kaufleute zu, welche infolge geringerer Bildung mit großen 
Schwierigkeiten zu kämpfen hatten und manche Erfahrungen mit Ver 
lusten bezahlen mussten. 
Es wird aber auch von den Zweiflern ganz übersehen,, dass die 
Wissenschaft ja gerade die Aufgabe hat, «um ihrer selbst willen» die 
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