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einzelnen Wissenszweige tiefer 1 und weiter zu bearbeiten und hiebei alle
praktischen Erfahrungen berücksichtigt werden müssen, dass oft ein Lehrsatz
das Ergebnis von vielen praktischen Fehlgriffen und falschen Maßnahmen ist,
der nun •— alleinstehend betrachtet — sehr theoretisch und abstract
aussieht, aber, auf der Praxis .beruhend, für die Praxis wichtig ist.
Andererseits kann aber auch ein auf rein wissenschaftlichem Wege ge
fundener Grundsatz für die Praxis von Bedeutung sein, oder ein in der Praxis
sich ergebendes Resultat speciell für die Wissenschaft größeren Wert be
sitzen. Hunderte von Beispielen zeigen uns das auf anderen Gebieten, und
Namen wie Galvani, Edison, Röntgen, Koch, Marconi etc. rufen alle diese
Beziehungen zwischenTheorie und Praxis wach. Warum sollten dieselben
gerade auf dem Gebiete der Wirtschaft und des Handels nicht bestehen?
Das Wissen besteht ja zum großen Theile aus gemachten Er
fahrungen, und diese können gewiss auch für jeden angehenden
Kaufmann wertvoll sein. Es muss auch beachtet werden, dass schon
jetzt in Deutschland und anderen Ländern die großen Kaufleute ihre
Söhne .einige Jahre an der Universität oder Technik studieren ließen,
bevor sie in das Geschäftsleben eintraten, von der sehr richtigen
Überzeugung ausgehend, dass der größere Gesichtskreis, das gründliche
Studium etc. für den Kaufmann so wertvoll ist, dass es gar nicht auf
die Wichtigkeit des Wissensgebietes selbst ankommt. Um wie viel vor-
theilhafter kann dem jungen Kaufmanne dies für seine spätere Laufbahn
an einer Handelshochschule geboten werden.
Ein weiteres wichtiges Bedenken der Praktiker wird durch die
Äußerlichkeiten des Hochschullebens, durch das studentische
Treiben, veranlasst. Inwieweit gerade die studentische Freiheit auf die
auch dem Kaufmanne förderlichen Charaktereigenschaften einwirkt, wird
hiebei ganz übersehen und kann leider hier nicht ausführlicher er
örtert werden, aber sicher kann Freiheit, Ausbildung von Charakter
festigkeit, Reellität, Muth und Selbständigkeit der Thätigkeit nicht
hinderlich sein, die auf «Treu und Glauben» beruht, und für welche
kein Sprichwort größere Bedeutung hat, als «Selbst ist der Mann».
Dass es in dieser Hinsicht Auswüchse gibt, die für junge Leute gefährlich
werden können, wird wohl von niemand bestritten; aber in der mannig
fachen Versuchung und der Möglichkeit eines ungünstigen Einflusses
während der Studienjahre liegt nicht der geringste Wert dieser
Verhältnisse. Hier kann der junge Mann im engen Kreise Talente und
Charakter prüfen, bilden und beweisen, bevor er in der harten Schule des
Lebens mehr Lehrgeld zahlen muss. Wie häufig kommt es auffallenderweise
gerade bei jungen Kaufleuten vor, dass sie höhere Ziele aus dem Auge ver
lieren und Vergnügungen als Lebenszweck betrachten. So manche That-
sachen, die uns allen bekannt sind, müssen uns zu denken geben, wenn
wir Vergleiche anstellen, und es nicht ungünstig erscheinen lassen, dass der
junge Kaufmann schon vor seiner praktischen Thätigkeit die nur durch
Selbständigkeit und Freiheit zu erlangende Zielbewusstheit und Charakter
festigkeit erreicht. Wieviele würden später im Leben nicht ver
sinken, wenn sie Freischwimmen gelernt hätten.