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höheren Bezahlung fast im umgekehrten Verhältnisse entsprechend
in kürzerer Zeit eine vollkommene «commercielle Ausbildung» erlangt,
zum Ziele, das sich die Anstalt selbst gesteckt hat, führen und ist für
den Lehrer wie für den Schüler sehr bequem.
Ein anderer Vorgang besteht darin, dass der Lernende ziemlich viele,
oft einige hundert Briefe, die nicht einmal immer Muster sein
dürften-- abschreiben muss. Dass die Note in einem gewissen Ver
hältnis zu der Zahl der copierten Briefe sich befindet und diese als
einzige Urtheilsquelle dient, verschlimmert die Sache noch sehr. Damit
wäre°eine Methode zum Selbstunterricht gefunden, denn der^ Lehrer ist
dabei ja nur Zählmaschine, und das Zählen kann der Schüler auch besorgen.
Die beiden genannten Arten des Correspondenzunterrichtes haben
sich durch Unverstand naturgemäß aus der Praxis entwickelt. Im Ge
schäfte wurden sie früher häufig geübt, als sich noch einzelne Chefs
mit der theoretischen Ausbildung ihrer Lehrlinge Mühe gaben. Der
Lehrling bekam in freien Stunden das Copierbuch zum Lesen oder musste
Briefe daraus abschreiben, bis er sich die nöthige Fertigkeit angeeignet
hatte. Es ist also eine Methode der Praxis, aber keine prak
tische Methode. Nun hat es eine Zeit gegeben — eine solche Periode
kommt im Unterrichtswesen immer wieder — wo man nichts praktisch
genug machen konnte, man gab sich alle erdenkliche Mühe, die
Praxis mit Sorgfalt zu copieren — aber leider manchmal ohne
Nachdenken; so entstanden meist diejenigen Unterrichtsvorgänge, die
dem Nichtpädagogen so ausnehmend gefallen, ja oft verblüften, dem
Pädagogen aber höchst ungeschickt erscheinen müssen. Man hat dabei
ja gänzlich übersehen, dass dieser Vorgang in der Praxis nur ein
Surrogat für einen Unterricht bilden sollte, da der Chef keine
Zeit zum anstrengenden, gründlichen Unterrichtertheilen hatte, was beim
Lehrer doch nicht Vorkommen soll. Man hat also da in der Sucht,
möglichst praktisch vorzugehen, das Surrogat eines Unterrichtes zur
Unterrichtsmethode erhoben! Das ist nur bei vollständiger Außer
achtlassung der einfachsten Grundsätze der Pädagogik möglich..
Eine dritte Form des Unterrichtes, die man wohl nur in der
fremdsprachigen Correspondenz findet, besteht darin, dass der Lehrer
unausgesetzt'—das ist ja ein charakteristisches Merkmal dieser un
richtigen Methoden — jahraus, jahrein Briefe dictiert, welche
entweder nicht weiter behandelt oder nur übersetzt werden, wobei
durch die gestattete Meldung zur Übersetzung in zahlreich besetzten
Abtheilungen ein ziemlich großer Theil der Schüler sich nach
einiger Zeit nicht mehr betheiligt und daher nichts lernt.
Das Dictieren von Correspondenzstiicken durch den Lehrer
soll keineswegs ganz verworfen werden, sondern nur dieser unzweckmäßige
Vorgang, Die Art und Weise, wie die Dictate erfolgen sollen, verdient
die größte Beachtung. Selbst im Correspondenzunterricht der Muttersprache
kann und soll es ausnahmsweise Vorkommen, dass ein besonders
schwieriger längerer Musterbrief dictiert wird. Das Nachschreiben
dictierter Briefe gehört sogar zu den erwünschten Übungen im kauf-