Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (2)

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höheren Bezahlung fast im umgekehrten Verhältnisse entsprechend 
in kürzerer Zeit eine vollkommene «commercielle Ausbildung» erlangt, 
zum Ziele, das sich die Anstalt selbst gesteckt hat, führen und ist für 
den Lehrer wie für den Schüler sehr bequem. 
Ein anderer Vorgang besteht darin, dass der Lernende ziemlich viele, 
oft einige hundert Briefe, die nicht einmal immer Muster sein 
dürften-- abschreiben muss. Dass die Note in einem gewissen Ver 
hältnis zu der Zahl der copierten Briefe sich befindet und diese als 
einzige Urtheilsquelle dient, verschlimmert die Sache noch sehr. Damit 
wäre°eine Methode zum Selbstunterricht gefunden, denn der^ Lehrer ist 
dabei ja nur Zählmaschine, und das Zählen kann der Schüler auch besorgen. 
Die beiden genannten Arten des Correspondenzunterrichtes haben 
sich durch Unverstand naturgemäß aus der Praxis entwickelt. Im Ge 
schäfte wurden sie früher häufig geübt, als sich noch einzelne Chefs 
mit der theoretischen Ausbildung ihrer Lehrlinge Mühe gaben. Der 
Lehrling bekam in freien Stunden das Copierbuch zum Lesen oder musste 
Briefe daraus abschreiben, bis er sich die nöthige Fertigkeit angeeignet 
hatte. Es ist also eine Methode der Praxis, aber keine prak 
tische Methode. Nun hat es eine Zeit gegeben — eine solche Periode 
kommt im Unterrichtswesen immer wieder — wo man nichts praktisch 
genug machen konnte, man gab sich alle erdenkliche Mühe, die 
Praxis mit Sorgfalt zu copieren — aber leider manchmal ohne 
Nachdenken; so entstanden meist diejenigen Unterrichtsvorgänge, die 
dem Nichtpädagogen so ausnehmend gefallen, ja oft verblüften, dem 
Pädagogen aber höchst ungeschickt erscheinen müssen. Man hat dabei 
ja gänzlich übersehen, dass dieser Vorgang in der Praxis nur ein 
Surrogat für einen Unterricht bilden sollte, da der Chef keine 
Zeit zum anstrengenden, gründlichen Unterrichtertheilen hatte, was beim 
Lehrer doch nicht Vorkommen soll. Man hat also da in der Sucht, 
möglichst praktisch vorzugehen, das Surrogat eines Unterrichtes zur 
Unterrichtsmethode erhoben! Das ist nur bei vollständiger Außer 
achtlassung der einfachsten Grundsätze der Pädagogik möglich.. 
Eine dritte Form des Unterrichtes, die man wohl nur in der 
fremdsprachigen Correspondenz findet, besteht darin, dass der Lehrer 
unausgesetzt'—das ist ja ein charakteristisches Merkmal dieser un 
richtigen Methoden — jahraus, jahrein Briefe dictiert, welche 
entweder nicht weiter behandelt oder nur übersetzt werden, wobei 
durch die gestattete Meldung zur Übersetzung in zahlreich besetzten 
Abtheilungen ein ziemlich großer Theil der Schüler sich nach 
einiger Zeit nicht mehr betheiligt und daher nichts lernt. 
Das Dictieren von Correspondenzstiicken durch den Lehrer 
soll keineswegs ganz verworfen werden, sondern nur dieser unzweckmäßige 
Vorgang, Die Art und Weise, wie die Dictate erfolgen sollen, verdient 
die größte Beachtung. Selbst im Correspondenzunterricht der Muttersprache 
kann und soll es ausnahmsweise Vorkommen, dass ein besonders 
schwieriger längerer Musterbrief dictiert wird. Das Nachschreiben 
dictierter Briefe gehört sogar zu den erwünschten Übungen im kauf-
	        
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