Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (2)

189 
V. 
Soll der Unterricht in den fremden Sprachen den Schüler 
wirklich so weit bringen, dass er beim Eintritte in die Praxis daraus 
unmittelbaren Nutzen ziehen kann, so muss vor allem untersucht werden, 
in welchen Beziehungen die Schule überhaupt so viel leisten kann, 
dass ein praktischer Erfolg für den Kaufmann daraus resultiert. 
Mit Rücksicht auf den Unterrichtserfolg kann man nun folgende 
Stufen des Könnens unterscheiden: 
1. Lesen; 
2. Übersetzen aus der Fremdsprache in die Muttersprache; 
3. Verstehen (des gesprochenen Wortes) ; 
4. cörrectes Übersetzen aus der Muttersprache in die Fremd 
sprache ; 
5. Schreiben (freie Aufsätze, freie Briefe); 
6. Sprechen. 
Diesen Stufen des Könnens entsprechen auch die Entwicklungs 
stufen des modernen Sprachunterrichtes: 
1. Aussprache (Lesen); 
2. Formenlehre (Beispiele, Übersetzungen); 
3. analysierende Lectüre, Syntax (Dictate, Übersetzungen); 
4. cursorische Lectüre (Inhaltsangaben, Dispositionen); 
5. selbständige Anwendung der Sprache in der Schrift (freie Aufsätze); 
6. selbständige Anwendung der Sprache im Gespräch (Conversation). 
Von den oben angeführten Graden in der Beherrschung einer Sprache 
ist der letzte in der Schule am schwersten — man kann sagen — 
in seiner Vollendung sicherlich nie zu erreichen. Diesen Erfolg kann 
nur ein längerer Aufenthalt in dem betreffenden Auslande zeitigen 
oder ein andauernder Verkehr in der betreffenden Sprache auch außer 
halb der Schule. 
Hier muss ich auch erwähnen, dass ich nicht der Ansicht bin, 
wie so viele Fachmänner, dass der Unterricht in den allgemeinen 
Gegenständen stets den Zweck der Handelsschule im Auge haben 
muss und nur in der commerciellen Richtung sich bewegen soll, ln den 
allgemeinen Fächern soll im Gegentheil gerade das Augenmerk auf die 
Erlangung einer möglichst gründlichen, allgemeinenBildung gerichtet werden 
und auf die Erweiterung des Gesichtskreises, denn dazu sind sie ja 
eingeführt worden. Man darf nicht alles in den Dienst des Faches stellen, 
wenn man nicht einseitige Leute heranziehen will. Die fremden 
Sprachen gehören an den Handelsschulen aber gar nicht zu den 
jenigen Fächern, die der allgemeinen Bildung allein dienen, sondern zu den 
jenigen, bei welchen sich zwei Bildungsziele nebeneinander unter 
scheiden lassen, denn der Sprachunterricht ist in seinem grammatischen, 
literar-historischen, Lectüre- und Übungstheil gewiss ein hoch zu 
schätzendes Mittel zur Förderung und Vertiefung der allgemeinen
	        
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