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vollei Sicherheit der Praxis seine Beispiele entnehmen können und kann
nur dann geltende und wertvolle Grundsätze aufstellen, wenn er
möglichst viele praktische Fälle kennen gelernt hat; denn was für
den Mediciner der menschliche Körper ist, ist für den Handelsschul
professor die kaufmännische Praxis und das Wirtschaftsleben. Wenn
man nun die Veränderungen in der letzten Zeit auf dem Gebiete
des Handels und Verkehres verfolgt, so wird man begreifen, dass es
einer stetigen, aufmerksamen Beobachtung und Forschung bedarf, um
die Ursachen und Folgen all dieser Erscheinungen festzustellen und
für das menschliche Wissen und Wirken auszunützen. Dieses Studium
beansprucht die ganze Kraft und Zeit eines Mannes.
Der F achprofessor der fremden Sprachen muss unbedingt
mit der Zeit zum lachmann des betreffenden Handelsgebietes
1111 voUen Sinne des Wortes werden. Er muss die Verhältnisse der
betreffenden Länder nicht nur genau und eingehend kennen, sondern sich
durch wiederholten Besuch derselben, mindestens in je 5—10 Tahren
einmal, auch fortwährend im laufenden halten. Er muss alle Veränderungen,
welche in diesen Verhältnissen eintreten, sofort untersuchen und in
ihren wahrscheinlichen Wirkungen feststellen. Welch ungeheure Dienste
ein solcher Fachmann der Praxis leisten kann, braucht gar nicht hervor
gehoben zu werden. Dass dies nicht an jeder Handelsschule von jedem
Lehrer der modernen Sprachen geschehen kann, ist wohl selbstver
ständlich, und nur die Handelshochschule kann und muss da durch
weitestgehende Förderung der weiteren Ausbildung ihrer Professoren zu
Specialisten und Veranstaltung von regelmäßig wiederkehrenden Fort-
bildungscursen befruchtend auf sämmtliche kaufmännische Lehranstalten
eines Landes oder Reiches einwirken und dadurch auch das Unter
richtsniveau auf moderner Basis erhalten.
In dieser Hinsicht ist die Centralisation von unendlich großem
Wert, denn nur wenn ein Mann sich stets mit demselben Gebiete
beschäftigt, kann der Erfolg mit der Zeit ein vollständiger werden,
während in dem Falle, wenn der Untersuchende wechselt, jeder immer
wieder von vorne beginnen muss und nie zum Endziel gelangen kann.
Auch die Anknüpfung und ständige Pflege von persönlichen Beziehungen
muss sehr hoch geschätzt werden. Wenn natürlich die Hochschule im Stande
ist, mehrere gleichartige Fachleute durch fortwährende Aussendung
am laufenden zu erhalten, ist dies umso besser.
Während der Vorgang in der allgemeinen Abtheilung (oder dem
Vorbereitungscurs) im großen ganzen, was die Reihenfolge anbelangt,
den bereits beschriebenen Gang einhält, ist dies auf der höheren Stufe
und speciell in der Export-Akademie nicht der Fall, denn bei den
Hörern werden da gewisse Kenntnisse und einige Übung in den kauf
männischen Fächern vorausgesetzt, so dass man nicht mehr die
methodischen Momente am meisten zu berücksichtigen hat.
Im Studienplan der Export-Akademie selbst findet sich daher der Gegen
stand, «Korrespondenz» nicht, sondern unter dem Titel «Mustercomptoir»
ist die gesammte «Handelsdurchführung», die Technik, der Betrieb des