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Schrift mit allen angestammten orthographischen Zuthaten ! ) und etwas
anderes, dasselbe Wort, entkleidet aller etymologischen Reminiscenzen
an eine längst dahingegangene Sprachperiode, in lautgemäßer Schreibung
vor sich zu haben. Das bei jener Übung nothwendige Abstrahieren
aber kann füglich verglichen werden mit dem abstracten Denken, das
andere Disciplinen erheischen.
Da ferner gleichlautende, in der gewöhnlichen Schrift aber ver
schieden geschriebene Wörter bei phonetischer Schreibung ein und
dieselbe graphische Darstellung fordern, 2 ) so macht uns die Beschäf
tigung mit fremdsprachlichen Kurzschriften mit den Homonymen ver
traut und lehrt sie uns auseinander halten.
Aber auch zu Übungen in der Formenlehre ist häufig Ge
legenheit. Da nämlich die Stenographie in der Regel die Form der
1 ) Es gibt kaum einen Zweig menschlicher Thätigkeit, bei dem soviel
überflüssige Arbeit verrichtet werden muss, wie beim Schreiben; und wohl keine
Disciplin, die das Anhäufen einer solchen Unsumme von leerem Gedächtniskram
erheischt, wie die sogenannte Rechtschreibung. Vielleicht verdrängt einmal, allen
historischen und etymologischen Bedenken zum Trotz, die phonetische Schreibung
die herkömmliche Orthographie in der deutschen, englischen und französischen
Sprache. Bezüglich des Englischen sind Autoritäten wie Max Müller, Henry
Sweet und Al. Ellis für die phonetische Schreibung eingetreten. — E. Duploye,
der Erfinder eines der verbreitetsten französischen Kurzschriftsysteme, sagt in
seinem Buche Stdnographie Duployü: «Le son a est produit ordinairement par
la lettre a et quelquefois par les lettres ou combinaisons de lettres ci-aprüs
indiquöes: 1. a la; 2. ä lä; 3. ä äme; 4. ac hamac; 5. ach almanach; 6. achs
almanachs; 7. acs tabacs; 8. ah ah!; 9. ahs schahs; 10. am damnation; 11. ao
paonne; 12. ap bapteme; 13. aps draps; 14. ars gars; 15. as bas; 16. at chat;
17. clt chantät; 18. ats combats; 19. ats mats; 20. e poelc; 21. ean Jeanne, 22. el
moellon; 23. el moelle; 24. em femmc; 25. en solennel; 26. et fouetter (dieses
Wort wird — gegen Littrd — von vielen fuate ausgesprochen); 27 i moi; 28. i
croitre; 29. id froid; 30. ids poids; 31. ie voie; 32. ient broient; 33. ies proies,
34. ig’doigtier; 35. igt doigt; 36. igts doigts; 37. is bois; 38. it voit; 39. it
croftP 40. its toits; 41. ix voix; 42. oua bivouac (das Wort wird nämlich von
vielen einfach biwac gesprochen); 43. y Fontenoy; 44. ye Millevoye; 45. ves
Troyes; 46. ha ha'ir; 47. hä häbleur; 48. han hanneton; 49. has haschich; 50. hat
exarchat; 51. hats exarchats; 52. hen hennir. Daran knüpft er die treffende Be
merkung: «On voit que l’orthographie est largement pourvue de difficultes,
puisque, pour ecrire correctement rien que lc son a, il faut connaitre cinquante
deux combinaisons differentes de lettres, et savoir quand teile ou teile combi-
naison doit 6tre employöe de preference ä teile ou teile autre!» Der Laut o hat
ebenfalls 52, der Laut e 72 Schreibungen u. s. f. mit Grazie. Nachdem er nicht
weniger als 418 Schreibungen für die 11 Vocale der französischen Sprache (a, o,
ou, e, i, eu, u, an, on, in, un) nachgewiesen hat, was im Durchschnitt 38 Schrei
bungen für einen Vocal ergibt, sagt er: «Avec, la nouvelle orthographe (er meint
die phonetische Schreibung in der Stenographie) il suffit d’un seul signe pour
chaque son, soit onze signes pour les onze voyelles; onze au lieu de quatre Cent
dix-huit! Ce parallele n’ a pas besoin de commentaire!»
2 ) Z. B. air, Ayr (Stadt in Schottland), ere, e’er, heir, spr. är, sehr. \;
eite, cyte, site, sight, spr.: ß2t, sehr.: (jff^rite, right, write, wright, spr.: rait,
sehr.: \,