Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (2)

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sicher zu gewärtigen. Gegner der Verstaatlichung können nur jene 
Leute sein, welche die hier zu berücksichtigenden Verhältnisse nicht 
genügend kennen oder die von den Handelsschulen erreichbaren Ziele 
nicht erfassen oder aber die Nachtheile dieser Reform viel zu bedeutend 
veranschlagen. Auf die Dauer ist es ganz unmöglich, dass man 
tüchtigen Kräften zumuthet, aller Nachtheile einer Staats 
stellung ohne die Vortheile derselben theilhaftig zu werden. 
Dass mit der Verstaatlichung auch Nachtheile verbunden sind, ist selbst 
verständlich, da jeder Vortheil einen entsprechenden Nachtheil mit sich 
bringt. Das in gewisser Beziehung sehr gute Erfolge erzeugende Concurrenz- 
bestreben der Schulen, welches aber auch Auswüchse zeitigt, würde 
nur zum Theile entfallen. Einen richtigen Eindruck von der Leistungs 
fähigkeit der einzelnen Anstalten könnte man erst dann gewinnen, 
wenn den Anstalten dieselben Grundlagen gegeben sind. 
Im Interesse eines allgemeinen organischen Schulsystems wäre es 
gelegen, die Aufnahmsbedingungen der höheren Handelsschulen mit 
denjenigen der gleichartigen Anstalten, nämlich der höheren Staats 
gewerbeschulen, in Übereinstimmung zu halten. 
Wenn man übrigens die Entwicklung und Förderung des commer- 
ciellen mit derjenigen des gewerblichen Unterrichtswesens in Österreich ver 
gleicht, so ergibt sich, dass das letztere von vornherein viel plan 
mäßiger in Angriff genommen wurde, da nur der Staat fast alle diese 
Anstalten errichtet und erhält, was eine einheitliche Gestaltung ver 
bürgt, während das commercielle Unterrichtswesen im Anfänge sich 
selbst überlassen wurde und daher die Gründung von Anstalten ganz 
allein auf die Initiative einzelner Corporationen zurückzuführen ist. 
Der gewerbliche Unterricht wird besonders gepflegt, indem selbst bei 
sehr geringer Schülerzahl die Schulen bestehen bleiben, da die Elrfahrung 
zeigt, dass selbst die besten Einrichtungen eine gewisse Zeit brauchen, 
um in ihrem Werte erkannt zu werden, und indem den Lehrkräften 
an Gewerbeschulen bedeutende Vortheile gegenüber den Mittelschul 
lehrern zugestanden wurden. Diese Vortheile erhalten ihre Berechtigung 
durch den Umstand, dass der Unterricht an gewerblichen Schulen 
viel schwieriger und aufreibender ist, als an den Mittelschulen, dass 
die Resultate in den allgemeinen Fächern oft nicht jene Befriedigung 
bei dem Lehrer hervorrufen können, die er nach all seinen Bemühungen 
erwarten könnte, und dass die speciellen Bedürfnisse der betreffenden 
gewerblichen Anstalt im Unterrichte stets berücksichtigt werden müssen. 
Die meisten Lehrer würden es unter sonst gleichen V erhältnissen vorziehen, 
an Mittelschulen zu unterrichten. Die Lehrkräfte aber, welche der 
Praxis entstammen, müssen besser gestellt werden, da sonst nur wenige 
tüchtige Kräfte sich dem Lehramte zuwenden würden, weil sie in der 
Praxis viel besser bezahlt werden. Dasselbe gilt auch im vollen Umfange 
für die commerciellen Lehranstalten.
	        
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