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sicher zu gewärtigen. Gegner der Verstaatlichung können nur jene
Leute sein, welche die hier zu berücksichtigenden Verhältnisse nicht
genügend kennen oder die von den Handelsschulen erreichbaren Ziele
nicht erfassen oder aber die Nachtheile dieser Reform viel zu bedeutend
veranschlagen. Auf die Dauer ist es ganz unmöglich, dass man
tüchtigen Kräften zumuthet, aller Nachtheile einer Staats
stellung ohne die Vortheile derselben theilhaftig zu werden.
Dass mit der Verstaatlichung auch Nachtheile verbunden sind, ist selbst
verständlich, da jeder Vortheil einen entsprechenden Nachtheil mit sich
bringt. Das in gewisser Beziehung sehr gute Erfolge erzeugende Concurrenz-
bestreben der Schulen, welches aber auch Auswüchse zeitigt, würde
nur zum Theile entfallen. Einen richtigen Eindruck von der Leistungs
fähigkeit der einzelnen Anstalten könnte man erst dann gewinnen,
wenn den Anstalten dieselben Grundlagen gegeben sind.
Im Interesse eines allgemeinen organischen Schulsystems wäre es
gelegen, die Aufnahmsbedingungen der höheren Handelsschulen mit
denjenigen der gleichartigen Anstalten, nämlich der höheren Staats
gewerbeschulen, in Übereinstimmung zu halten.
Wenn man übrigens die Entwicklung und Förderung des commer-
ciellen mit derjenigen des gewerblichen Unterrichtswesens in Österreich ver
gleicht, so ergibt sich, dass das letztere von vornherein viel plan
mäßiger in Angriff genommen wurde, da nur der Staat fast alle diese
Anstalten errichtet und erhält, was eine einheitliche Gestaltung ver
bürgt, während das commercielle Unterrichtswesen im Anfänge sich
selbst überlassen wurde und daher die Gründung von Anstalten ganz
allein auf die Initiative einzelner Corporationen zurückzuführen ist.
Der gewerbliche Unterricht wird besonders gepflegt, indem selbst bei
sehr geringer Schülerzahl die Schulen bestehen bleiben, da die Elrfahrung
zeigt, dass selbst die besten Einrichtungen eine gewisse Zeit brauchen,
um in ihrem Werte erkannt zu werden, und indem den Lehrkräften
an Gewerbeschulen bedeutende Vortheile gegenüber den Mittelschul
lehrern zugestanden wurden. Diese Vortheile erhalten ihre Berechtigung
durch den Umstand, dass der Unterricht an gewerblichen Schulen
viel schwieriger und aufreibender ist, als an den Mittelschulen, dass
die Resultate in den allgemeinen Fächern oft nicht jene Befriedigung
bei dem Lehrer hervorrufen können, die er nach all seinen Bemühungen
erwarten könnte, und dass die speciellen Bedürfnisse der betreffenden
gewerblichen Anstalt im Unterrichte stets berücksichtigt werden müssen.
Die meisten Lehrer würden es unter sonst gleichen V erhältnissen vorziehen,
an Mittelschulen zu unterrichten. Die Lehrkräfte aber, welche der
Praxis entstammen, müssen besser gestellt werden, da sonst nur wenige
tüchtige Kräfte sich dem Lehramte zuwenden würden, weil sie in der
Praxis viel besser bezahlt werden. Dasselbe gilt auch im vollen Umfange
für die commerciellen Lehranstalten.