Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (2)

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VI. 
Die Handelsschulen für Mädchen. 
Auch auf dem Gebiete des kaufmännischen Unterrichtes 
für Mädchen sind in Österreich zahlreiche Reformen zu verzeichnen. 
Im Anfänge begnügte man sich mit einem vier- bis achtstündigen Unter 
richt pro Woche in den Gegenständen Buchhaltung, Rechnen und 
Correspondenz, wozu später die Handelskunde, Schönschreiben und 
Stenographie hinzukamen. Diese Curse währten circa vier bis sechs Monate 
und konnten selbstredend kaum nennenswerte Resultate zeitigen. 
Die Ertheilung des kaufmännischen Unterrichtes an Mädchen und 
Frauen hatte von allem Anfänge an viele Sympathien in der Bevölkerung 
zu einer Zeit zu erwarten, in welcher die Ausdehnung der Berufs 
sphäre des weiblichen Geschlechtes zu den wichtigsten Tagesfragen 
zählte. Und in der That gibt es wenige Gebiete, auf welchen es den 
Mädchen so leicht wäre, die männlichen Arbeitskräfte zu ersetzen, wie 
dies bezüglich der untergeordneten Stellen im Comptoir gilt. Dazu kommt 
aber als bedeutend wichtigerer Grund vom wirtschaftlichen Standpunkte 
aus, dass diese Vorbildung dem Leiter der Privatwirtschaft gestattet, 
seine Frau oder Kinder wesentlich zu seiner Unterstützung in dem 
Betriebe heranzuziehen. Für die Volkswirtschaft muss daher eine gründ 
liche commercielle Ausbildung des weiblichen Geschlechtes, eine be 
deutende Vermehrung an bisher latenten Arbeitskräften, als sehr günstig 
betrachtet werden, für den einzelnen äußert sich dies allerdings nicht 
selten in ungünstiger Weise. Die männlichen Mitglieder der Gesellschaft 
müssen sich durch höhere, erweiterte Ausbildung so weit über die 
Leistungsfähigkeit der weiblichen hinaufarbeiten, dass sie außer Con- 
currenz kommen. Auch voti diesem Gesichtspunkte aus ist die Erweiterung 
der höheren Handelsschulen zu begrüßen. 
Besonders in den letzten fünf Jahren sind in Österreich zahlreiche 
Handelsschulen für Mädchen entstanden. Es lassen sich drei Typen 
unterscheiden, und zwar: 
1. Die Mädchen-Fortbildungscurse (-Schulen) mit sechs- bis acht 
monatlicher Dauer und sechs- bis zwölfstündigem Unterricht pro Woche, 
2. die einjährigen Mädchen-Handelsschulen mit 15—20stündigem 
Unterricht pro Woche und 
3. die zweitklassigen Mädchen-Handelsschulen mit 15—34 Stunden 
pro Woche. 
Mädchen-Handels-Fortbildungsschulen bestehen in Wien, 
Prag, Pilsen, Gablonz a. N., Linz, Trient, Troppau und anderen Orten 
Sie umfassen meist je zwei Stunden 
kaufmännisches Rechnen, 
Buchhaltung, 
Correspondenz, 
eventuell Handelskunde und Schönschreiben.
	        
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