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und es ergibt sich die Thatsache, dass unser ünterrichtswesen in dieser
Richtung den praktischen Bedürfnissen vorangeeilt ist und deshalb nicht
die genügende Unterstützung finden konnte. Selbst der beste Unterricht
kann keinen Handel schaffen, wenn die erforderlichen Grundlagen
— die wirtschaftliche Concurrenzfähigkeit, die moderne Ausgestaltung
der Industrien, gesunde politische und rechtliche Verhältnisse, günstige
Productions- und Verkehrsverhältnisse etc. — fehlen.
Als eine den modernen Anforderungen entsprechende Reform auf
dem Gebiete des commerciellen Unterrichtswesens erscheint die im Jahre
1898 erfolgte Errichtung der Export-Akademie durch das k. k. öster
reichische Handels-Museum mit Unterstützung seitens eines aus Industriellen
und Kaufleuten bestehenden Generalcomitös.
Die Bedeutung dieser Reform beruht hauptsächlich in der Aus
gestaltung der commerciellen Unterrichtsfächer für den internatio
nalen Handel, in der größeren Berücksichtigung des Waren
handels (insbesondere des Exportes und Importes von Waren aller Art),
welcher bisher in den Handelsschulen fast allgemein sehr stiefmütterlich
behandelt wurde. Wer die Metamorphose, die sich auf dem Gebiete
des Wirtschaftslebens abspielt — den Übergang von der Volkswirtschaft
zur Weltwirtschaft — nur einigermaßen verfolgt, der wird die weit-
tragende Bedeutung dieser modernen Ausgestaltung des kaufmännischen
Unterrichtes zu würdigen vermögen. Andere werden allerdings erst nach
erlangten Erfahrungen, die in der Praxis recht unangenehme Voraus
setzungen haben können, begreifen, dass der Welthandel eine ganz andere
Vorbildung verlangt, als der Binnenhandel, und dass diese Summe
von Kenntnissen und Erfahrungen, welche sich für den künftigen
Kaufmann als Wissenschaft herausbilden sollen, nur nach jahrelangem
emsigen Arbeiten in einer den Bedürfnissen entsprechenden Weise ge
sammelt und gesichtet sein kann. Diese Wissenschaften müssen erst aus
dem praktischen Leben entnommen werden. Das charakteristische inter
nationale Gepräge der Export-Akademie ist sowohl in ihrer Organisation
und ihrem Studienplan, als auch in ihren Einrichtungen und in der
Verbindung mit dem Handels-Museum zum Ausdruck gelangt.
Durch angemessene, das jeweilige Bedürfnis stets berücksichtigende
weitere Ausgestaltung erscheint die Export-Akademie ■— die nöthigen
finanziellen Mittel vorausgesetzt — berufen und verpflichtet, das commer-
cielle Bildungswesen Österreichs zu fördern und an der Erweiterung
und Vertiefung desselben mitzuwirken.
Das Statut und der Lehrplan dieser Anstalt findet sich im jahr
buche der Akademie unter den Studiennachrichten abgedruckt, weshalb
hier nur darauf verwiesen werden soll.
Da die an der Export-Akademie zur Behandlung gelangenden
Wissensgebiete weder ihrem Umfange nach, noch ihrem Inhalte nach
heute fixiert sind, war es keine leichte Aufgabe, dies festzustellen.
Auch für die Art des Vorganges gab es größtentheils kein geeignetes
V orbild. Es ist eine besonders befriedigende Thatsache und eine nicht
zu unterschätzende Errungenschaft auf diesem Arbeitsfelde, dass es dem