Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (3)

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VI. Das Übungscomptoir an den Handelslehranstalten des 
Auslandes. 
In Ungarn besteht an keiner öffentlichen Handelsschule ein Übungs 
comptoir. Offenbar beeinflusst von den Verhandlungen hierüber auf 
den Congressen, beschäftigte sich der letzte Handelslehrertag in Arad 
mit diesem Gegenstände. Die Mehrzahl der Handelslehrkräfte gehört 
in Ungarn wohl heute noch zu den Gegnern des Übungscomptoirs. 
Der Einführung steht aber auch als großes Hindernis die Unmöglich 
keit entgegen, "in dem ohnehin schon mit Rücksicht auf die vielen zu 
lehrenden' Gegenstände zeitlich sehr beschränkten Lehrplan Raum zu 
schaffen. 
Auch im Deutschen Reiche haben die öffentlichen Handels 
lehranstalten in ihren Lehrplan das Übungscomptoir nicht allgemein auf 
genommen. Erst an der Hand eis-Hochschule in Leipzig wurde der 
Gegenstand — auch unter dem Namen Mustercomptoir — eingeführt und 
mit der Leitung desselben ein Österreicher, College Stern, der lange Zeit 
in Wien als Handelslehrer thätig war, betraut. 
An der Handelsfachlehranstalt zu Freiburg i. Br. wird der 
Unterricht im Übungscomptoir der zweiten Form entsprechend ertheilt. 
Die höhere städtische Handelsschule zu Dortmund hat ein 
Übungscomptoir nach der zweiten Grundform (fünften Form) eingeführt 
welches aber erst seit kurzer Zeit functioniert. 
Das ablehnende Verhalten der fachmännischen Kreise Deutschlands 
gegenüber diesem Unterricht durch so viele Jahrzehnte ist leicht begreif 
lich, wenn man die Lehrpläne der Handelsschulen daselbst und die ge- 
sammten Ziele des dortigen Fachunterrichtes auf diesem Gebiete m Betracht 
zieht. Da zeigt sich, dass die meisten dieser Anstalten vielmehr als 
in den übrigen Ländern den Schülern eine allgemeine, der Mittelschul 
stufe entsprechende Bildung geben sollen und daher der Fachunterricht 
in einzelnen Handelsgegenständen auf ein sonst wohl kaum verständ 
liches Minimum reduciert erscheint, woraus sich von selbst ergibt, dass 
. nur die Grundzüge genommen werden können und besonders die 
Übungen auf das geringste Maß beschränkt bleiben müssen, dadurch 
wird der Unterricht vorwiegend theoretisch, während er z. Ix 
in Österreich, Ungarn, Frankreich etc. vorwiegend praktisch ertheilt 
wird. Auf einen derartigen Unterrichtsvorgang lässt sich aber ein 
Übungscomptoir im engeren Sinne niemals mit Aussicht auf eine er 
folgreiche Durchführung aufbauen. Es bestehen im Deutschen Reiche 
eben ganz andere Grundsätze, die Kaufleute verlangen, dass die ein 
tretenden jungen Leute vor allem eine gewisse allgemeine Bildung 
aufweisen, während man bei uns in diesen Kreisen viel mehr Wert 
auf die fachliche Bildung legt und' häufig weniger auf die allge 
meine Bildung sieht. Darauf ist auch die Eigenthümlichkeit zuruckzu- 
führen, dass in deutschen Kaufhäusern viel häufiger als bei uns junge 
Leute als Praktikanten eintreten, welche das Gymnasium oder die
	        
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