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Zweck kommt es nicht an. Das Gebrauchsmuster dient dem Gebrauchs
zweck, das Geschmacksmuster dient dem Schönheitszwecke; beide zu
sammen sind neue Formerfindungen, die nicht wegen ihres Zweckes,
sondern wegen der ihnen innewohnenden neuen geistigen Schöpfung-
geschützt werden.
Die theoretische Basis, auf welcher der Entwurf operiert, scheint
mir nun vollständig verfehlt zu sein. Allein die Ausführung dieses
theoretischen und principiellen Unterschiedes sei für später Vorbehalten.
Hier sollen die praktischen Consequenzen untersucht werden, welche
durch diese Vereinigung gezeitigt werden.
Gewiss, der Musterschutz, wenn er gut ist, ist billig, rasch und
sicher. Allein, er ist nur ein Formenschutz. Die technische Idee,
welche einem Gebrauchsmuster zugrunde liegt, wird nicht geschützt.
Der technische Gedanke wird preisgegeben in dem Momente, wo es
einem Nachahmer gelingt, für denselben Gebrauchsgegenstand ein
neues Muster zu finden.
Der Nachahmer erhält dann den Musterschutz, und der ge
schädigte Erfinder muss sich damit begnügen, dass auch der Nach
ahmer eine neue geistige Schöpfung, nämlich die neue Form geschaffen
hat, welche vom Standpunkte des Referenteneftwurfes denselben An
spruch auf Schutz haben wie die Erfindung. Und gerade diese kleinen
technischen Erfindungen, welche nicht patentreif sind, verdienen in
einem Lande, wie in dem unseren, wo sich der kunstgewerbliche
Eifer mit Jugendfrische zu rühren beginnt, eine besondere Aufmerk
samkeit. Ich komme aus principiell theoretischen Gründen zu jenem
Resultate, welches ein ausgezeichnetes Referat der Wiener Handels
kammer aus praktischen Gründen vorschlägt: „Trennung des Muster
schutzes vom Erfindungsschutz.“ Das Gebrauchsmuster soll als Erfindung
nach einem besonderen Gesetze geschützt werden.
Es sei mir gestattet, mit wenigen Worten den Standpunkt der
Gesetzgebung in anderen Staaten in dieser Frage zu charakterisieren.
Deutschland unterscheidet streng die Gebrauchsmuster und die Ge
schmacksmuster. Das deutsche Musterschutzgesetz vom 19. Jänner 1876
findet nur auf Geschmacksmuster Anwendung, während das Gesetz
vom 1. Juni 1891 die Gebrauchsmuster als Erfindungen schützt. Der
Gebrauchsmusterschutz unterscheidet sich vom Patentschutz durch seine
Billigkeit und seine kürzere Schutzfrist und durch die Beseitigung der
amtlichen Vorprüfung.
Amerika schützt die Gebrauchsmuster und die Geschmacksmuster.
Die amerikanische Auffassung ist die, dass auch ein Geschmacksmuster
eine Erfindung ist. Dort ist der ganze Schutz im Patentrechte vereinigt.
England schützt Geschmacks- und Gebrauchsmuster, Frankreich
Geschmacksmuster.
Mit dem Obigen erscheint auch die Frage 1 des Fragebogens
beantwortet. Geschmacksmusterschutz und Gebrauchsmusterschutz sollen
nicht in demselben Gesetze geregelt sein oder, wenn sie in demselben
Gesetze geregelt werden, nicht nach denselben Grundsätzen.