Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (3)

137 
Zweck kommt es nicht an. Das Gebrauchsmuster dient dem Gebrauchs 
zweck, das Geschmacksmuster dient dem Schönheitszwecke; beide zu 
sammen sind neue Formerfindungen, die nicht wegen ihres Zweckes, 
sondern wegen der ihnen innewohnenden neuen geistigen Schöpfung- 
geschützt werden. 
Die theoretische Basis, auf welcher der Entwurf operiert, scheint 
mir nun vollständig verfehlt zu sein. Allein die Ausführung dieses 
theoretischen und principiellen Unterschiedes sei für später Vorbehalten. 
Hier sollen die praktischen Consequenzen untersucht werden, welche 
durch diese Vereinigung gezeitigt werden. 
Gewiss, der Musterschutz, wenn er gut ist, ist billig, rasch und 
sicher. Allein, er ist nur ein Formenschutz. Die technische Idee, 
welche einem Gebrauchsmuster zugrunde liegt, wird nicht geschützt. 
Der technische Gedanke wird preisgegeben in dem Momente, wo es 
einem Nachahmer gelingt, für denselben Gebrauchsgegenstand ein 
neues Muster zu finden. 
Der Nachahmer erhält dann den Musterschutz, und der ge 
schädigte Erfinder muss sich damit begnügen, dass auch der Nach 
ahmer eine neue geistige Schöpfung, nämlich die neue Form geschaffen 
hat, welche vom Standpunkte des Referenteneftwurfes denselben An 
spruch auf Schutz haben wie die Erfindung. Und gerade diese kleinen 
technischen Erfindungen, welche nicht patentreif sind, verdienen in 
einem Lande, wie in dem unseren, wo sich der kunstgewerbliche 
Eifer mit Jugendfrische zu rühren beginnt, eine besondere Aufmerk 
samkeit. Ich komme aus principiell theoretischen Gründen zu jenem 
Resultate, welches ein ausgezeichnetes Referat der Wiener Handels 
kammer aus praktischen Gründen vorschlägt: „Trennung des Muster 
schutzes vom Erfindungsschutz.“ Das Gebrauchsmuster soll als Erfindung 
nach einem besonderen Gesetze geschützt werden. 
Es sei mir gestattet, mit wenigen Worten den Standpunkt der 
Gesetzgebung in anderen Staaten in dieser Frage zu charakterisieren. 
Deutschland unterscheidet streng die Gebrauchsmuster und die Ge 
schmacksmuster. Das deutsche Musterschutzgesetz vom 19. Jänner 1876 
findet nur auf Geschmacksmuster Anwendung, während das Gesetz 
vom 1. Juni 1891 die Gebrauchsmuster als Erfindungen schützt. Der 
Gebrauchsmusterschutz unterscheidet sich vom Patentschutz durch seine 
Billigkeit und seine kürzere Schutzfrist und durch die Beseitigung der 
amtlichen Vorprüfung. 
Amerika schützt die Gebrauchsmuster und die Geschmacksmuster. 
Die amerikanische Auffassung ist die, dass auch ein Geschmacksmuster 
eine Erfindung ist. Dort ist der ganze Schutz im Patentrechte vereinigt. 
England schützt Geschmacks- und Gebrauchsmuster, Frankreich 
Geschmacksmuster. 
Mit dem Obigen erscheint auch die Frage 1 des Fragebogens 
beantwortet. Geschmacksmusterschutz und Gebrauchsmusterschutz sollen 
nicht in demselben Gesetze geregelt sein oder, wenn sie in demselben 
Gesetze geregelt werden, nicht nach denselben Grundsätzen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.