Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (3)

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geführt werden. Die mit 20 Atmosphären ausströmende kalte Luft 
gelangt in ein Reservoir, wird von der Pumpe neuerdings auf hohen 
Druck zusammengepresst und so erneuert sich das Spiel derart, dass 
die stark zusammengedrückte Luft mit immer niederer Temperatur aus 
dem Doppelrohre austritt, sich durch Expansion immer weiter abkühlt, 
bis sie nach einigen Stunden so weit abgekühlt ist, dass der Siede 
punkt der Luft - 193° erreicht wird. Eine stärkere Abkühlung ist nicht 
möglich und bei weiterem Zuführen der Luft geht diese dann aus 
dem gasförmigen in den flüssigen Zustand über, und man erhält in 
einigen Stunden einige Liter flüssige Luft. Der Vorgang konnte an 
bestimmten Nachmittagstunden in der Ausstellung verfolgt werden. 
Durch Öffnen eines Ventils kann dann die flüssige Luft zum Ausströmen 
gebracht werden. Sie lässt sich nur in offenen Gefäßen aufbewahren, 
wozu sich die von Weinhold construierten Behälter sehr gut eignen, die zwei- 
bis vierfache gute vacuierte Wände haben, welche zur Abhaltung der Strahlung 
versilbert sind. In diesen Gefässen lassen sich 1—2 / flüssige Luft 
8—14 Tage lang aufbewahren, da der tägliche Verlust nur ungefähr 
100 g beträgt. Die Luft erscheint als eine milchig weiß getrübte Flüssigkeit, 
auf der das Kohlendioxyd in Form von weißen Flocken schwimmt. Sie 
lässt sich durch Filterpapier filtrieren und bildet dann eine klare Flüssigkeit, 
ein Gemenge von Stickstoff und Sauerstoff, Da nun der Stickstoff 
rascher verdampft als der Sauerstoff (ersterer siedet bei ;— 146°, 
letzterer bei — 119°), so reichert sich die Luft immer mehr an Sauer 
stoff an, und. damit scheint man ein einfaches Mittel gefunden zu 
haben, den Luftsauerstoff technisch zu verwerten. Es sind zu diesem 
Zwecke die Linde’schen Apparate etwas verändert worden, mit denen 
per Pferdestärke*) und Stunde 5 m* Luft in Sauerstoff und Stickstoff 
geschieden werden können. Für die Herstellung von 1 kg Sauerstoff 
nach Linde soll ungefähr 1 kg Kohle nöthig sein, um die nöthige 
Energie in der Dampfmaschine zu liefern. 
Brennbare Körper, mit flüssiger Luft durchtränkt, verbrennen in 
folge des vorhin besprochenen Umstandes viel lebhafter, und man 
glaubte damit ein Mittel gefunden zu haben, um kräftige Sprengstoffe 
zu erhalten, die den Vortheil hätten, dass sie völlig gefahrlos nach 
dem Gebrauchsorte zu transportieren wären, da man sie erst unmittel 
bar vor dem Gebrauche hersteilen würde. Doch dazu scheint die 
flüssige Luft nicht so geeignet, als man vermuthete. Wohl aber wird sich 
gewiss einmal die Metallurgie oder diejenigen Industrien, die hoher 
Temperaturen bedürfen, des Sauerstoffs in comprimierter, weil in 
reinerer Form, als dies bei den heute üblichen Gebläsen der Fall ist, 
bedienen. Heute hat das Linde’sche Verfahren zur Herstellung von Eis 
und künstlicher Kälte bereits vielfache Anwendung gefunden. 
Was nun das Schwefeldioxyd und Kohlendioxyd anbelangt, so 
werden beide Gase schon seit langem technisch in flüssiger Form verwertet. 
Das erstere gewinnt man durch Verbrennen des Schwefels oder beim Rösten 
*) II. Erdmann, Lehrbuch der anorganischen Chemie. 
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