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Die bisnun hergestellte Menge an Toluol würde ausreichen,
um etwa 1 l j A Millionen kg 1 OOpercentigen Indigo, ungefähr ein
Viertel des Weltconsums an Indigo, zu fabricieren. Es wäre also der
Bedarf an Kohlenwasserstoffen der vierfache des jetzt producierten.
Hoogenwerff und van Dorp fanden 1890 ein Verfahren, um, von der
Phtalsäure ausgehend, zu einem Zwischenproduct der Indigosynthese
(Anthranilsäure) zu gelangen. Nachdem man aber die Phtalsäure aus
dem Naphthalin gewinnen konnte, war dieses das Ausgangsmateriale
für den Indigo geworden, und erst von da ab war es möglich, den
Bedarf an Indigo aus einem leicht aus dem Steinkohlentheer zu be
schaffenden Material zu decken und eine lohnende Erzeugung dieses
wichtigen Farbstoffes ins Leben zu rufen. Während in früheren Jahren
das Anthracen, das Ausgangsmaterial für die künstliche Herstellung
des Alizarins, das wertvollste Product des Steinkohlentheers war, ist
es in neuerer Zeit das Naphthalin geworden. Von dem jährlich produ
cierten Steinkohlentheer wird circa ein Drittel für sich verbraucht,
während zwei Drittel davon weiter aufgearbeitet werden. Daraus
gewinnt man jährlich 40- bis 50.000 Tonnen Naphthalin. Von diesen
Mengen stellte man nur circa 15.000 Tonnen her, die in der Farben-
fabrication Anwendung fanden, während man den größeren Theil
entweder in der Rußbereitung verbrauchte oder in den Schwerölen
gelöst ließ. Es bleiben nun mindestens 25.000 Tonnen Naphthalin,
die leicht ohne besonderen Kostenaufwand zu gewinnen sind, für die
Indigogewinnung übrig. Dies ist aber mehr als ausreichend, um den
Weltbedarf an Indigo zu decken. Das bisher übliche Phtalsäurever-
fahren, Naphthalin mit Hilfe von Chromsäure zu oxydieren, war aber
zu theuer. Dem Chemiker der Badischen Anilin- und Sodafabrik E. Sapper
gelang es, die Oxydation durch hochconcentrierte Schwefelsäure durchzu
führen.
Dazu waren wieder große Mengen hochconcentrierter Schwefelsäure
nöthig, deren vortheilhafte Wiedergewinnung den springenden Punkt
dieser Methode bildete, wenn das Verfahren gegenüber dem Chrom
säureverfahren von praktischem Wert sein sollte.
Da war es das Cont aci verfall reu, *) welches, von R. Knietsch
vielfach technisch verbessert, auf das von CI. Winkler angegebene
Princip aufgebaut war, welches auf vortheilhafte Weise zur Phtalsäure-
herstellung verwendet werden konnte. Das bei der Oxydation des
Naphthalins entstehende Schwefeldioxyd konnte durch den Sauerstoff der
Luft wieder in Schwefelsäureanhydrid, respective rauchende Schwefel
säure übergefiihrt und wieder vom neuen verwendet werden. Um
welche Mengen es sich hier handelt, möge daran erkannt werden,
dass bei der von der Badischen Anilin-und Sodafabrik jährlich producierten
Menge von Phtalsäure 35- bis 40.000 Tonnen Schwefeldioxyd resul
tieren, die in Form von Schwefelsäure immer wieder zur Anwendung
gelangen.
*) Siehe S. 9.