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handelt wird, ferner aber auch darin, dass dieser Unterricht so
vielerlei Aufgaben entsprechen soll und von so vielen Voraussetzungen
abhängig ist, wodurch selbst dieselbe Form des Mustercomptoirs zu
ganz verschiedenen Ergebnissen und Urtheilen führen kann.
Die Benennung „Mustercomptoir“ erscheint für diesen Gegen
stand nicht ganz richtig gewählt, besonders wenn man bedenkt, dass
die hierin geleisteten Arbeiten in manchen Fällen gerade keine
Muster sind.
Die Bezeichnung stammt aus früheren Tagen; derjenige, der
sie zuerst zur Anwendung brachte, stellte sich darunter jedenfalls ein
Comptoir im kleinen, die Probe, das ist das Muster eines Comptoirs
vor, wobei das Wort Muster zwar nicht ganz richtig angewendet
wurde, aber infolge des ihm innewohnenden höheren Doppelsinnes
sich rascher beliebt machte. Dieser Unterricht soll also quasi ein
Probecomptoir, also eine Probe, einen Versuch für die spätere Verwendbar-
keit der Schüler bilden. Der Unterricht wird viel richtiger und weniger
hochtrabend als „Übungscomptoir“ bezeichnet, wofür der Verfasser
bereits seit dem Jahre 1892 eintritt; doch lässt sich der ursprüngliche
Titel nicht so leicht verdrängen, da er fast in alle Lehrpläne, die
Fachliteratur und den täglichen Gebrauch eingedrungen ist und ein
allgemein gebräuchlicher terminus techn. nur schwer geändert werden
kann. Es bedeutet aber immerhin schon einen großen Fortschritt,
wenn die in diesem Fache thätigen Professoren nach und nach selbst zu
einer weniger reclamhaft und mehr zutreffenden Bezeichnung über
gehen.
Von den Bezeichnungen dieses Unterrichtes in den Fremd
sprachen erscheint die französische am besten und zweckent
sprechendsten gewählt: „Bureau modele“ besagt Zweck und Einrichtung
desselben. Die Italiener nennen das Mustercomptoir „Banco modello“,
die Spanier „Präctica de operaciones de commercio“, die Engländer
„Commercial office“, in Holland ist vor kurzer Zeit ein „oefeningskantoor“,
d. i. Übungscomptoir, errichtet worden.
Pädagogisch-didaktisch erscheint das Übungscomptoir bisher in
den Druckvorlagen für den internationalen Congress in Venedig 1899
(Nr. 19 von Professor Fabio Besta, Nr. 20 von Professor Carl
Ghidiglia, Nr. 21 von Dr. Johann Brucini, Nr. 22 von Professor
Alex. Corbelli, Nr. 23 von Director Wilhelm Weinig, Nr. 25 von
Director Cyr-Penot-Saint, Nr. 27 von Professor Dr. A. Adler), in
den Protokollen dieses und des nächsten Congresses in Paris 1900,
ferner in folgenden Werken behandelt:
Cevasco Ferrucio, l’insegnamento delBanco modello, Genua 1899.
F'iedler Franz, Musterkontor oder nicht? Leipzig 1901.
Garabella Pelopidas, Das Musterkontor, Wien 1869.
Math6 Franz, Das Mustercomptoir und die pädagogischen Prin-
cipien der „Concentration“ und der „Anschauung“, Brüx 1893.
Ott.el Clemens, „Der Buchhaltungsunterricht an höheren Handels
schulen mit besonderer Berücksichtigung des Musterkontors, Leipzig 1899.