Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (3)

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Das falsche Verhältnis des Übungscomptoirs zu dem Unterricht 
in den übrigen Handelsfächern, beziehungsweise der Wegfall des 
letzteren ist theilweise auf die Sucht, allen Unterricht so praktisch 
als möglich zu gestalten, zurückzuführen. Es muss immer wieder als 
schwerer pädagogischer Fehler bezeichnet werden, wenn Vorgänge 
oder Erscheinungen des praktischen Lebens genau nachgeahmt als 
Unterrichtsmethode angenommen werden. Diese unrichtige Ansicht 
wurde leider dadurch veranlasst, dass sich der Unterricht im Laufe 
der Zeit immer mehr und mehr von den Bedürfnissen des Lebens 
entfernt, und nun sollen — da man dieses Übel fühlt — neue 
Methoden den bestehenden Ansprüchen genügen helfen, weil eine 
Reform der Methode weniger Schwierigkeiten bereitet als 
eine Reform der Unterrichtsorganisation, während doch nur 
letztere das gewünschte Resultat ergeben kann. 
Es erscheint nur begreiflich, wenn man dann diese Methoden 
der Praxis direct entnimmt, anstatt zu bedenken, dass sich in der Praxis 
nie eine Methode findet, sondern dass sich jede Unterrichtsmethode 
durch pädagogisch-didaktische Anforderungen ergibt. Behufs Erlangung 
einer geeigneten Methode wäre daher ein Vorgang theoretisch auf 
zusuchen, welcher in seinem Ergebnis den Anforderungen 
der Praxis am meisten entspricht. 
Das richtige Verhältnis des Übungscomptoirs als Lehrgegenstand 
zu den übrigen Fächern an einer organisierten Lehranstalt kann nur 
derart bestehen, dass die Schüler im Übungscomptoir den Zusammen 
hang der in den einzelnen Handelsfächern bereits erworbenen Kennt 
nisse und Fertigkeiten, ihre richtige und angemessene Anwendung 
kennen lernen, wobei die infolge der Arbeiten zufällig veranlassten 
Wiederholungen in den einzelnen Fächern vorgenommen werden, um 
so, auf dem bisherigen Fachunterricht weiterbauend, die Lernenden auf 
die Anforderungen in der kaufmännischen Praxis vorzubereiten; keinesfalls 
aber kann das Übungscomptoir eine vollständige Wiederholung aller 
Gegenstände oder auch nur aller Fachgegenstände in sich begreifen. 
Ein anderer Irrthum besteht darin, dass Mustercomptoir auch 
als Gesammtausdruck für den commerciellen Unterricht gebraucht und 
darunter der Unterricht in Handelskunde, Arithmetik, Correspondenz, 
Buchhaltung, Technik des Handelsbetriebes, Bank- und Börsenwesen etc. 
gemeint ist. Dies erscheint unrichtig, weil das Mustercomptoir nur 
die Übung, die gelegentliche Anwendung der Kenntnisse in 
dem einen oder anderen Gegenstände bedingt, nicht aber einen Ge 
sammtausdruck für eine Reihe von Vorträgen bedeuten kann. Eine 
große Gefahr für die Ersprießlichkeit des Übungscomptoirunterrichtes 
und sein Verhältnis zu den übrigen Fächern entsteht, so sonderbar es 
auch erscheinen mag, durch die große, stets steigende Beachtung, die 
man demselben schenkt. Das Übungscomptoir ist nicht zur Parade da, 
hier soll von allen Lernenden gearbeitet und nicht ein glänzendes 
Schauspiel für Besucher aufgeführt werden. Gerade die ruhige, emsige 
Arbeit soll hier gelernt und geübt werden. Ein gut geleitetes Übungs-
	        
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