Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (5)

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sich bekanntlich auch immer mehr die Notwendigkeit einer exakteren 
Verrechnung. In den einzelnen Wirtschaftsgruppen und -zweigen werden 
sich wohl entsprechend dem Charakter derselben besondere Buch 
haltungsformen entwickeln, alle aber immer die zweifache Aufgabe 
erfüllen müssen: Verrechnung der formellen Veränderungen in den 
Güterwerten (Bestandrechnung) und Verrechnung der einzelnen Wert 
zunahmen und -ai»lahmen (Erfolgsrechnung); in dieser zweifachen 
Wertverrechnung liegt das Wesen und die Bedeutung einer voll 
kommenen Buchhaltung. 
Geht man — nach der Hügli-Schärschen Theorie — von 
einer genau bewerteten Gütermenge aus, verzeichnet einerseits jede 
formelle Veränderung in dieser Gütermenge unter gleichzeitiger Fest 
stellung des Wertes, welchen die einzelne Güterbewegung repräsentiert, 
und ermittelt anderseits den jeweiligen Arbeitserfolg oder Mißerfolg 
an diesen einzelnen Wertbewegungen, so muß nach einem beliebigen 
Zeiträume die Wertsumme des verbleibenden Güterbestandes (End 
kapital) gleich sein dem Werte der anfänglichen Gütermenge (Anfangs 
kapital), vermehrt und vermindert um die einzeln ermittelten Erfolge 
und Mißerfolge. Mit andern Worten: die in der Bestandrechnung 
nachgewiesene Gesamtvermehrung oder -Verminderung (Gewinn oder 
Verlust) muß mit dem Resultate der Erfolgsrechnung übereinstimmen: 
Eine solche zweifache Darstellung der wirtschaftlichen Prozesse (gra 
duelle form- und Wertveränderung der Güter einerseits und Aufbau 
des Wirtschaftserfolges anderseits) ermöglicht nur die sogenannte 
doppelte Buchhaltung oder Doppelbuchhaltung oder Doppik, da ihr 
System in zwei aus den wirtschaftlichen Prozessen abgeleiteten Konten 
reihen zusammengefaßt werden kann. Dieses System muß als das aus 
schließliche und bis heute einzig vollkommene Buchhaltungssystem be 
zeichnet werden, und die doppelte Buchhaltung dürfte somit dem 
Inbegriff einer allgemeinen Buchhaltung sehr nahe kommen, wenn sie 
ihn nicht schon repräsentiert. Die verschiedenen Buchhaltungsarten 
oder -methoden, welche in der Gegenwart entweder herkömmlich 
bestehen oder neu eingeführt werden, zeigen immer nur verschieden 
artige mehr oder minder brauchbare Anwendungsformen des einzigen 
Systems der Doppelbuchhaltung. Die vielfach angewandte einfache 
Buchhaltung ähnelt sehr einem Fragmente der doppelten Buchhaltung, 
deren Entwicklungsgang man unterbrochen hat, um sich mit einem 
Teile der zu erlangenden Resultate zu begnügen. Viele Forscher 
behaupten deshalb auch, daß die doppelte Buchhaltung vor der ein 
fachen bestanden hätte. Jedenfalls steht fest, daß wir in dem vom 
Minoritenmönche Lukas Paciolo im Jahre 1494 veröffentlichten Lehr 
buche der Mathematik mit dem bekannten Abschnitte »De computis 
et scripturis« den ersten deutlichen Beweis der Existenz einer ge 
ordneten Buchhaltung, und zwar der doppelten Buchhaltung besitzen. 
Nichtsdestoweniger ist es aber nicht unwahrscheinlich, daß die einfache 
Buchhaltung sich in irgend einer Form zuerst entwickelt und den Anstoß 
zur Erfindung oder Entwicklung der doppelten Buchhaltung gegeben habe.
	        
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