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sich bekanntlich auch immer mehr die Notwendigkeit einer exakteren
Verrechnung. In den einzelnen Wirtschaftsgruppen und -zweigen werden
sich wohl entsprechend dem Charakter derselben besondere Buch
haltungsformen entwickeln, alle aber immer die zweifache Aufgabe
erfüllen müssen: Verrechnung der formellen Veränderungen in den
Güterwerten (Bestandrechnung) und Verrechnung der einzelnen Wert
zunahmen und -ai»lahmen (Erfolgsrechnung); in dieser zweifachen
Wertverrechnung liegt das Wesen und die Bedeutung einer voll
kommenen Buchhaltung.
Geht man — nach der Hügli-Schärschen Theorie — von
einer genau bewerteten Gütermenge aus, verzeichnet einerseits jede
formelle Veränderung in dieser Gütermenge unter gleichzeitiger Fest
stellung des Wertes, welchen die einzelne Güterbewegung repräsentiert,
und ermittelt anderseits den jeweiligen Arbeitserfolg oder Mißerfolg
an diesen einzelnen Wertbewegungen, so muß nach einem beliebigen
Zeiträume die Wertsumme des verbleibenden Güterbestandes (End
kapital) gleich sein dem Werte der anfänglichen Gütermenge (Anfangs
kapital), vermehrt und vermindert um die einzeln ermittelten Erfolge
und Mißerfolge. Mit andern Worten: die in der Bestandrechnung
nachgewiesene Gesamtvermehrung oder -Verminderung (Gewinn oder
Verlust) muß mit dem Resultate der Erfolgsrechnung übereinstimmen:
Eine solche zweifache Darstellung der wirtschaftlichen Prozesse (gra
duelle form- und Wertveränderung der Güter einerseits und Aufbau
des Wirtschaftserfolges anderseits) ermöglicht nur die sogenannte
doppelte Buchhaltung oder Doppelbuchhaltung oder Doppik, da ihr
System in zwei aus den wirtschaftlichen Prozessen abgeleiteten Konten
reihen zusammengefaßt werden kann. Dieses System muß als das aus
schließliche und bis heute einzig vollkommene Buchhaltungssystem be
zeichnet werden, und die doppelte Buchhaltung dürfte somit dem
Inbegriff einer allgemeinen Buchhaltung sehr nahe kommen, wenn sie
ihn nicht schon repräsentiert. Die verschiedenen Buchhaltungsarten
oder -methoden, welche in der Gegenwart entweder herkömmlich
bestehen oder neu eingeführt werden, zeigen immer nur verschieden
artige mehr oder minder brauchbare Anwendungsformen des einzigen
Systems der Doppelbuchhaltung. Die vielfach angewandte einfache
Buchhaltung ähnelt sehr einem Fragmente der doppelten Buchhaltung,
deren Entwicklungsgang man unterbrochen hat, um sich mit einem
Teile der zu erlangenden Resultate zu begnügen. Viele Forscher
behaupten deshalb auch, daß die doppelte Buchhaltung vor der ein
fachen bestanden hätte. Jedenfalls steht fest, daß wir in dem vom
Minoritenmönche Lukas Paciolo im Jahre 1494 veröffentlichten Lehr
buche der Mathematik mit dem bekannten Abschnitte »De computis
et scripturis« den ersten deutlichen Beweis der Existenz einer ge
ordneten Buchhaltung, und zwar der doppelten Buchhaltung besitzen.
Nichtsdestoweniger ist es aber nicht unwahrscheinlich, daß die einfache
Buchhaltung sich in irgend einer Form zuerst entwickelt und den Anstoß
zur Erfindung oder Entwicklung der doppelten Buchhaltung gegeben habe.