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letztere langsam absterben muß, wie es in diesem Falle wirklich ge
schehen ist. Bezüglich der Lehrkräfte aber gibt uns dieses Beispiel
auch die wohl zu beachtende Lehre, daß man Hochschulprofessoren
für neue Fächer nicht plötzlich aus dem Boden stampfen kann. Ganz
besonders gilt dies für die rein kommerziellen Fächer. Mit Aller
höchster Entschließung vom 17. Oktober 1865 wurde die Wiener Tech
nische Hochschule einer durchgreifenden Reorganisation unterzogen,
wobei die kommerzielle Abteilung ganz aufgelassen wurde. Ähnlich wie
der kommerziellen Abteilung an der polytechnischen Schule in Wien
erging es den betreffenden Abteilungen an den Anstalten in Lemberg
und Krakau.
Erst in den Fünfzigerjahren brach sich in weiteren kaufmännischen
Kreisen der Gedanke Bahn, daß es notwendig sei, dem Kaufmann eine
höhere Bildung zu vermitteln, ihn zum »Techniker des Welthandels«
zu machen. Fast gleichzeitig (in den Jahren 1856 und 1857) wurden in
Wien, Prag und Pest und im Jahre 1861 in Graz durch Kaufleute
und Industrielle Handelsakademien gegründet. Diese Akademien stellten
für den Eintritt die Absolvierung der vier unteren Klassen der Mittel
schule als Bedingung und rangierten sonach im Range der oberen
Mittelschulklassen. Die Wiener Handelsakademie wurde später
auf vier Klassen erweitert, wovon die ersten zwei als Vorbereitungs
schule angesehen werden können. Für den Eintritt in die erste Aka
demieklasse wurde eine vollständig absolvierte Mittelschule gefordert,
so daß die beiden Akademieklassen als Hochschule gelten können, in
welcher allerdings die absolvierten Mittelschüler stets nur in geringerer
Zahl vorhanden waren, wodurch ein sehr ungleiches Hörermaterial ver
einigt wurde. Nach dem Tode des ersten Direktors der Wiener
Handelsakademie, P'ranz Hauke, wurde der k. k. Sektionschef a. D.,
Alois Czedik von Bründelsberg zur Leitung, der Anstalt berufen,
welcher bereits am 29. Mai 1872 einen umfassenden Reorganisationsplan
vorlegte, der noch heute in mancher Beziehung als einer der besten und
genialsten Organisationspläne für Handelshochschulen betrachtet werden
muß, aber leider für die damaligen Verhältnisse in Österreich zu früh kam.
Durch diese Reorganisation wurde die Akademie in zwei Anstalten getrennt,
und zwar in eine Handelsmittelschule mit drei Klassen, während die
frühere zweite Akademieklasse zu einer Handelshochschule ausge
staltet wurde. In dieser Hochschule wurde das Prinzip der Lehr- und
Lernfreiheit sowie der Spezialausbildung vollständig durchgeführt. Die
Dauer des Studiums wurde auf zwei Jahre ausgedehnt, doch konnten die
Hörer die rein kommerziellen Fächer auch in einem Jahre absolvieren.
Die Leitung wurde dem Professorenkollegium, an dessen Spitze ein Rektor
stand, bezüglich der wissenschaftlichen und disziplinären Richtung zu
gestanden. Es wurden strenge Abgangsprüfungen, welche die für die
betreffende Abteilung wichtigen Fächer umfaßten, eingeführt und Diplome
erteilt. Die Hörer waren teils ordentliche und teils außerordentliche.
Die Zahl der außerordentlichen Hörer war jedoch unverhältnismäßig
größer als diejenige der ordentlichen Hörer. In den ersten drei Jahren
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