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erscheint doch der Boden für eine erfreuliche Entwicklung des höheren
Bildungswesens vorhanden zu sein, da die von der Oberschulbehörde
eingerichteten volkstümlichen Vorlesungen einen ganz enormen Besuch
aufweisen. Bereits im Wintersemester 1901/02 erreichte die Zahl der
Besucher die stattliche Ziffer von 72.655, wobei allerdings nicht außer
acht gelassen werden darf, daß infolge der eigentümlichen statistischen
Aufnahme ein Besucher, welcher mehrere Kurse frequentiert, mehr
fach gezählt wird. Im Wintersemester 1903/04 wirkten als Vortragende
nicht weniger als 110 Dozenten in 137 Kursen. Im Hinblick hierauf
erscheint auch die Errichtung einer Handelshochschule, wahrscheinlich
in Form einer freien Universität, nur mehr als eine Frage des kom
menden Dezenniums.
Aber auch in anderen Teilen Deutschlands gibt sich eine mehr
oder minder große und andauernde Bewegung für die Errichtung
weiterer Handelshochschulen kund, so in Darmstadt, Stuttgart, Karls
ruhe, Erlangen, Rostock, Hannover, Halle, Gießen etc. und in neuester
Zeit beschäftigt man sich auch in Bayern mit dem Projekt der Er
richtung einer Handelshochschule, welches bereits im Jahre 1901
durch eine ausführliche Eingabe des Vereines »Merkur« in Nürnberg
an das königlich bayrische Staatsministerium für Kirchen- und Schul
angelegenheiten angeregt wurde und im Juli und August 1904 Gegen
stand von Verhandlungen des Landtages und der Reichsräte bildete.
Gelegentlich des letztjährigen Delegiertentages der kaufmännischen
Vereine im August 1903 in Passau wurde eine Resolution zum Zwecke
der baldigen Errichtung einer Plandelshochschule in Nürnberg gefaßt,
wobei der Befürchtung Ausdruck gegeben wurde, daß andernfalls der
bayrische Kaufmannsstand von demjenigen in anderen deutschen Staaten
leicht überholt werden könnte. Infolgedessen hat der Verein »Merkur»
erneuert an das bayrische Staatsministerium ein ausführlich begründetes
Gesuch gerichtet mit der dringenden Bitte, mit allen Kräften dahin
zu wirken, daß eine Plandelshochschule in Angliederung an eine
technische Hochschule in Nürnberg recht bald errichtet werde.
Vor wenigen Wochen erschien auch eine diesbezügliche Schrift
aus der Feder des Herausgebers der Handelshochschul-Chronik
Dr. Albert Ludwig Stange, in welcher die Angliederung einer
Handelshochschule' an die Universität in München befürwortet wird
und das Projekt einer solchen Anstalt für Bayern sachgemäß und
eingehend untersucht sowie erläutert wird.
Aus diesen Erörterungen ergibt sich, wie lebhaft im Deutschen
Reiche die Plandelshochsc'hulfrage diskutiert und in die praktische
Wirklichkeit übertragen wird. Es ist diesbezüglich fast zu fürchten,
daß auch auf diesem Gebiet in verhältnismäßig kurzer Zeit eine Über
produktion eintritt, wodurch das Ansehen der Handelshochschulen sehr
herabgesetzt würde. Es darf überhaupt nicht übersehen werden, daß
im Deutschen Reich, aber auch in England und den Vereinigten
Staaten von Nordamerika die Handelshochschulen insbesondere des
halb so außerordentlich blühen, weil in diesen Ländern gute mittlere
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