Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (5)

26 
brikanten in Europa in seinem Preise nicht gleicherweise tief drücken 
kann, eine Verpflichtung zu liefern nicht besteht. Dadurch haben die 
Preise stets die Tendenz, auf ein Niveau sich zu stellen, wo weder 
dem Importvermittler noch dem Fabrikanten ein befriedigender Ge 
winn verbleibt. Und den Gewinn aus jener Geschäftseigentümlichkeit 
des Indents, die dem Europäer so viel Vorteil zu sichern scheint, hat 
schließlich der Konsum des Importlandes. 
Die originellsten, zugleich ausgeprägtesten Formen hat das Indent 
geschäft in Britisch-Indien, beziehungsweise in Bombay, das auch als 
die Wiege desselben zu betrachten ist. Nirgends drücken sich die 
früher erwähnten zweifachen Bestrebungen der europäischen Verkäufer 
gegenüber ihren asiatischen Käufern so deutlich aus wie hier. 
Die Europäer haben hier die Basis des rechtlichen Kommissions 
verhältnisses fast ganz verlassen. Sie verzichten auf eine separate 
Kommissionsberechnung, um dafür die Differenz zwischen Einkaufs 
und Verkaufspreis voll sich zueignen zu können. Doch wollen sie auf 
die Ungebundenheit des Kommissionärs seinem Auftraggeber gegen 
über ebenfalls nicht verzichten. Sie wollen die Vorteile des Eigen 
händlers mit den Vorteilen des Kommissionärs verbinden. Daraus 
entstehen nun Textierungskünste im Indent, mit Hilfe deren ein Vertrag 
konstruiert werden sollte, durch den dem Käufer kein, dem Verkäufer 
jegliches Recht zukommen würde. Dem Erfolge dieser Textierung steht 
bloß die gerichtliche Auffassung entgegen, daß es einen nur einseitig 
bindenden Vertrag nicht gibt, daß ein Vertrag beide Teile binden 
müsse. Immerhin wird so ziemlich die äußerste Grenze des gerichtlich 
Durchsetzbaren erreicht, ja man geht vielfach doch noch über diese 
Grenze hinaus, indem man in Berücksichtigung zieht, daß nicht jeder 
Kontrahent sich gleich in einen komplizierten Rechtsstreit einläßt und 
daß den Kontraktsbestimmungen doch bis zu einem gewissen Grade 
ein moralischer Zwang innewohnt, wozu noch kommt, daß - ebenfalls 
nach den Indentbestimmungen Rechtsstreitigkeiten nicht vor den 
ordentlichen Gerichten, sondern durch ein aus europäischen Kauf 
leuten bestehendes Schiedsgericht auszutragen sind. 
Daß die Europäer die Basis eines rechtlichen Kommissionsver 
hältnisses verlassen, daran tun sie wohl gut, denn die im Indent ein 
gesetzten Preise werden und wurden nie als Einkaufslimite aufgefaßt, 
sondern als fixe Verkaufspreise. 
Es heißt auch nie im Indent »kaufen Sie billigstens, höchstens 
zu den angegebenen Preisen ein«, sondern die Preise werden neben 
der Bezeichnung des Warenquantums kurzweg angeführt. Eine Einkaufs 
kommission mit fixierten, nicht limitierten Preisen ist aber in allen jenen 
Fällen, in denen zur Zeit der Erteilung der Order nicht schon Offerte 
mit gleichartigen Preisen vorliegen, widersinnig. Man kann nicht die 
Kommission geben, zu einem ganz bestimmten Preise in Europa ein- 
zukaufen. Der richtige Wortlaut des Indents bezüglich der Preise, dem 
üblichen Sinne nach, wäre eigentlich: »Kaufen Sie für mich ein und 
rechnen Sie mir die folgenden Preise dabei auf«. Daß diese Auffassung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.