Full text: Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (5)

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abwickeln sollte, sei es, daß der überseeische Geschäftsfreund nicht 
oder nicht voll bezahlen würde, sei es, daß es zu Notverkäufen 
kommen müßte, etwaige Differenzen, Spesen oder Verluste zu ersetzen. 
Vielfach übergibt der Vorschußnehmer der Bank mit dem Letter 
of Hypothecation noch einen an den Destinatar der Ware gerichteten 
Brief, in dem demselben Mitteilung gemacht wird über die Ab 
machungen mit der Bank und er zu einem dementsprechenden Ver 
halten aufgefordert wird. Diesen Brief läßt dann die Bank dem 
Bezogenen zugehen gleichzeitig mit einem von ihr aufgesetzten, an 
sie selbst adressierten Schreiben, in dem die auf das Verpfändungs 
verhältnis bezüglichen Erklärungen enthalten sind. Gegen Unterzeich 
nung durch den Warendestinatar und Rückstellung dieses Schreibens 
erhält dieser nach erfolgter Akzeptierung des Wechsels die Verschiffungs 
dokumente ausgefolgt. Die maßgebende Erklärung des erwähnten 
Schreibens lautet: »We herein engage, to receive and hold the said 
goods in trust on your behalf, to have them duly stored and 
insured against fire, and to remit the proceeds, as and when sold, 
direct to you.« — In London pflegt man einen solchen Brief als 
I,etter of Lien zu bezeichnen, während man in Übersee (so in 
Australien) ihn auch mit Letter of Trust benennt. Das Wort »Lien«, 
das sich im Englischen selten angewandt findet, kommt vom lateini 
schen ligamen, beziehungsweise ligare*), und will hier wohl sagen, 
daß das Eigentumsrecht an der Ware zu gunsten der Bank gebunden 
wird. Juristisch bezeichnet man in England mit Lien das Recht auf 
Beschlagnahme des Eigentums eines anderen, also ein Pfand-, eventuell 
ein Retentionsrecht. 
Die praktische Bedeutung dieser schriftlichen Verpfändung eines 
beweglichen Gutes, das der Pfandnehmer in eines anderen Hände legt, 
läßt sich natürlich mit der Sicherstellung durch ein ordnungsmäßiges 
Faustpfand nicht vergleichen, wenn auch die juristische Bedeutung der 
Erklärung des Warenempfängers, daß er die Ware nicht als Eigentum, 
sondern »in Trust« für Rechnung der Bank erhält, nicht zu unter 
schätzen ist. Dennoch wünschen oftmals die Banken, wieder in den 
Besitz des Pfandes zu kommen, sobald das ohne Störung der Ge 
schäftsdurchführung möglich ist. Sie geben zwar, wenn nötig, die 
Dokumente gegen Letter of Lien an den Destinatar, sei es, damit 
dieser mit Hilfe derselben die W are noch vor Ankunft Weiterverkäufen, 
sei es, damit er sie vom Schiffer in Empfang nehmen und einlagern 
könne. Sollte aber die Ware bei Empfangnaht* noch nicht weiter 
verkauft sein, so fordern sie die Einlagerung in einem öffentlichen 
Lagerhaus gegen Warrant und daraufhin die Übergabe dieses neuen 
Dokumentes als weiteres Pfand. In diesem letzteren Falle dient der 
Letter of Lien also nur für die Zeit von der Übergabe der Ver 
schiffungsdokumente bis zum Empfang des Warrants durch die Bank. 
Steht der vorschußsuchende Warenversender mit einem be 
stimmten oder auch mehreren Empfängern ständig in einer Ver- 
*) 'Murrey, The Oxford English Dictionary.
	        
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