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kann aber, wie bereits erwähnt, keineswegs den Konsuln auferlegt
werden, sondern muß durch theoretisch zweckmäßig ausgebildete Fach
männer, die entsprechende praktische Erfahrung besitzen und über die
inländische Produktion sowie den heimischen Handel genau informiert
sind, erfolgen. Viele absolut sehr gute Berichte werden ja gerade
dadurch für das Inland relativ weniger wert, daß sie auf die heimischen
Verhältnisse zu wenig Rücksicht nehmen. Manche derselben können
sogar der inländischen Produktion schaden, da das Ausland häufig
hieraus recht wertvolle Informationen entnehmen kann, weil sie für
dasselbe vielleicht passender erscheinen, als für das Inland. Daher
ist es vor allem anderen wichtig, das zu berichten, was für das Inland
wirklich Wert hat, und das ist nicht leicht zu beurteilen. Die Kenntnis
der inländischen Verhältnisse wird keineswegs durch kurze Instruktions
reisen in den inländischen Produktionsgebieten erworben, obwohl
dieses Auskunftsmittel hiefür noch am geeignetsten gelten muß, sondern
bedarf selbständiger praktischer Tätigkeit und mindestens ebenso
bedeutsam erscheint der hiedurch erlangte persönliche Einfluß, die
stete Fühlung mit der Industrie und mit dem Handel sowie die fort
gesetzte Information durch diese Kreise und Einwirkung auf die Unter
nehmer. Nicht leicht ist es auch, stets die wünschenswerte Objektivität
bei diesen Berichten einzuhalten. Im letzten Jahrzehnt finden wir
fast in allen Ländern Klagen und mannigfaltige Reformvorschläge
bezüglich des Konsular Wesens.
Am häufigsten wird dieser Dienstzweig wohl in England und
Nordamerika einer freimütigen Kritik unterzogen, ferner auch im
Deutschen Reich; wiederholte, sachgemäße und wohlwollende Kritik
vermag auf jedem Gebiete vorteilhaft und fortschrittlich einzuwirken.
In England behauptet man vor allem, daß es den vollständigsten und
kostspieligsten Konsulardienst der Welt besitze, der jedoch für den
englischen Handel, gegenüber den Verhältnissen in anderen Ländern,
am wenigsten Wirksamkeit entfalte. Es wird in Großbritannien be
hauptet, daß der deutsche Konsul viel findiger ist und jederzeit bereit
erscheint, die Handelsinteressen seines Landes zu fördern, selbst wenn
dieselben privatwirtschaftlicher Natur sind. Auch die französischen
Konsuln sollen häufig im reinen Handelsinteresse der heimischen
Firmen tätig sein. Die deutschen Konsuln haben sich z. B. auch dafür
eingesetzt, daß die wertvollsten Konzessionen in China und Japan
wohl auch im Orient - deutschen Firmen zufallen.
Dem deutschen Konsulatsdienst wurde seitens deutscher Korpora
tionen und Kaufleute vorgeworfen, daß die Beamten viel zu bureau-
kratisch sind, daß die Berichte viel zu spät eintreffen und veröffent
licht werden, um praktisch verwertbar zu sein, daß die amtlichen
Berichte häufig nicht zutreffend sind, und daß die Konsuln viel zu
wenig Fühlung mit den Industrie- und Handelskreisen haben, welche
Mängel in erster Linie auf die fehlende praktische Ausbildung und
das Überwiegen der juristischen Vorbildung sowie auf die unrichtige
Auswahl unter den hiezu geeigneten Persönlichkeiten zurückgeführt