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Luft, denn sie ist es, deren der Mensch zuerst und vor allem zum
Leben bedarf.
Es hat überall sehr lange gedauert, bis der Mensch und auch
die Regierungen und städtischen Verwaltungen dies einsahen und sich
auf das Drängen des neuesten Zweiges der Medizin, der Hygiene,
entschlossen, dafür zu sorgen, daß die Rechte der Bewohner in dieser
Lebensfrage nicht beeinträchtigt wurden; den Wohnungen der Zutritt
des Lichtes und der Luft nicht verwehrt und letztere nicht verdorben
wird. Wenn die Privathygiene selbst in hochzivilisierten Ländern bei dem
Zusammendrängen immer dichter bevölkerter Städte und dem Kampf
persönlicher Interessen dabei mehr und mehr im Stich ließ und die
Behörden meistens erst neuerdings mit öffentlichen hygienischen Vor
schriften energisch eingriffen, so können wir uns nicht wundern, wenn
in Ägypten hierin manches noch ungünstig liegt.
Besonders in den inneren, rein arabischen Quartieren der Städte, vor allem
auch Kairos, sind die Licht- und Luftverhältriisse der Wohnungen vielfach des
halb so unvorteilhaft, weil die zum Teil mit hohen Häusern besetzten, vielfach
äußerst engen Straßen, so sehr winkelig verlaufen und oft in Sackgassen endigen,
so daß weder Sonne vor der sie sich eher schützten, noch der luftreinigende
und kühlende Wind in die Straßen und Wohnungen eindringen kann. Sodann
ist ein Hauptfehler der älteren Wohnungen, daß die offenen Abtritte und Wasser-
ausgiisse in Kloaken endigen, die direkt im Grundstücke selbst oder Hof liegen.
Kloaken, die früher durchwegs ä fond perdu gebaut waren. Wenn man bedenkt,
daß dazu im Untergeschoß sehr häufig Esel- (Ziegen-) und eventuell Pferdeställe
sich befinden und dabei die hier herrschende Temperatur berücksichtigt, so kann
man sich leicht Vorsichten, daß in solchen Häusern nicht die schönste Luft und
Düfte herrschen.
Die Gassen selbst bestehen meistens aus festgestampftem Nil-Schlamm,
während die größeren Straßen makadamisiert sind, die durch öffentliche und
zum Teil private Besprengung (nicht selten mit Gebrauchswasser etc.) feucht ge
halten, überhaupt vielfach in ziemlich schmutzigem Zustand sind. Das Departement
für die Reinigung und Bewässerung ist zwar der Sanität unterstellt, mau begreife
aber, daß es äußerst schwierig ist, in diesen Quartieren die Straßen reinzuhalten.
Die Wohnungen der Reicheren hatten und haben zwar noch zum Teil vor und
hinter den Häusern größere Höfe und Gärten, zu denen Luft und Licht Zutritt
haben, allein in dem Wirrwarr der Straßen können sie nicht viel zur Verbesserung
dieser Verhältnisse beitragen, die obendrein hie und da durch zwischeneinge-
streute Gruppen ärmster Hütten nicht gewinnen.
Wenn dies der Charakter des Hauptteiles der alten Stadt Kairos
zwischen dem Ezbekiehgarten und dem Gebirge (und zum Teil der
Vorstadt Bulak sowie der meisten kleineren Städte in den Provinzen)
ist, so ist einmal in sie eine Bresche gelegt durch Ismail Pascha x )
durch Anlegung breiter Straßen, von denen eine speziell zur Zita
delle führt, an die sich neuerdings weiter südlich neue Viertel mit
gut angelegten Straßen und niedrigeren hübschen Häusern anschließen.
Sodann ist in den letzten 30 Jahren zum Teil auch noch durch die
Initiative Ismail Paschas, der Terrains zu dem Zwecke verschenkte,
westlich des Ezbekiehgarten, der jetzt zum Zentrum der Stadt ge-
) Ihm ist es auch zu danken, daß Heluan mit so breiien Straßen ange
legt und die Häuser bisher durchwegs villenartig mit großen Höfen umgeben
sind. Die Terrains wurden ursprünglich unter gewissen Bedingungen verschenkt.