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Wenn nun auch die Kaperei in ihrer alten Form, soweit es sich
um die Signatarmächte der Pariser Deklaration handelt, abgeschaflt
ist, so gibt es doch andere Mittel, um sich im Kriegsfälle eine Kreuzer
ersatzflotte zu beschaffen, die dazu bestimmt ist, den feindlichen See
handel zu schädigen. Der russisch-japanische Krieg hat uns gezeigt,
daß die Kaperei in einer anderen Art auflebte, in der Gestalt von
Handelsschiffen, die auf offener See in Kriegsschiffe umgewandelt
wurden und die neutrale Schiffahrt durch Untersuchung auf Konter
bande, beziehungsweise Konfiskation des Schiffes, auf welchem sich die
Konterbande befand, zu stören suchten. Man nennt solche Schiffe
nicht mehr Kaper, sondern Hilfskreuzer. Jeder Staat sieht schon in
Friedenszeiten für den Bestand einer solchen Hilfskreuzerflotte vor.
Verschiedene Staaten gewähren ihren Schiffahrtsgesellschaften nur aus
dem Grunde Subventionen, damit sie ihre Dampfer im Kriegsfälle zur
Verfügung der Kriegsverwaltung stellen. Dabei spielt selbstverständlich
die Geschwindigkeit der Schiffe eine große Rolle. Die Cunard Line
erhielt von der englischen Regierung für die beiden Riesenschiffe
»Mauretania« und »Lusitania« die bekannte Subvention und den Staats-
Vorschuß nur unter der Bedingung, daß die Schiffe im Kriegsfälle als
Hilfskreuzer zur Verfügung der Admiralität gestellt werden müssen,
wobei gleichzeitig eine Geschwindigkeit von 25 Knoten für beide
Schiffe verlangt wurde. Österreich-Ungarn hat in dem Vertrage mit
der Schiffahrtsgesellschaft des Österreichischen Lloyd, mit der »Adria«,
der »Dalmatia« sowie im Marineunterstiitzungsgesetze eine ähnliche
Vorsorge getroffen. Der Unterschied zwischen den Kapern der früheren
Zeit und diesen Hilfskreuzern besteht darin, daß die Hilfskreuzer unter
militärischem Kommando stehen und die Abzeichen der Kriegsschiffe
führen und demgemäß ein aufgebrachtes Schiff in das Eigentum des
betreffenden Staates, dem der Kaptor angehört, übergeht. Die Haager
Friedenskonferenz 1907 hat, wovon noch später ausführlicher die
Rede sein wird, die Bestimmungen festgesetzt, die hinsichtlich der
Umwandlung von Handelsschiffen in Kriegsschiffe zu gelten haben.
2, Sicherung der neutralen Ladung auf feindlichen Schiffen
und feindlicher Ladung auf neutralen Schiffen mit Ausnahme
der Kriegskonterbande und des feindlichen Staatseigentums.
ln früheren Zeiten wurde die neutrale Ladung auf feindlichem
Schiffe sowie die feindliche Ladung auf neutralem Schiffe weggenommen.
Allmählich brach sich jedoch eine günstigere Auffassung Bahn und es
gelangte der Grundsatz »frei Schiff, frei Gut« zur Anwendung, während
die neutrale Ladung auf feindlichem Schiffe nach wie vor der Weg
nahme unterworfen blieb. Einzelne Staaten sind jedoch in ihren Ver
trägen mit anderen Staaten einen Schritt weitergegangen und haben