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3. Blockade.
Es kam in früheren Zeiten häufig vor, daß ein kriegführender
Staat eine Blockade über einen ausgedehnten Küstenstrich des Feindes
verhängte, ohne jedoch diese Blockade in Wirklichkeit mit seinen
Kriegsschiffe durchzuführen. Durch solche Scheinblockaden (blocus sur
le papier) versuchte der Kriegführende, ohne seine Streitkräfte zu zer
splittern, den feindlichen Handel zu schädigen, wobei er sich gleich
zeitig das Recht wahren wollte, alle Schiffe, die sich der als blockiert
erklärten Küste nähern, wegzunehmen. Solche Blockaden mußten natür
lich auch dem neutralen Handel großen Schaden zufügen.
Diesem Zustande suchte nun die Pariser Deklaration ein Ende
zu bereiten. Es wurde darin festgesetzt, daß eine Blockade, um rechts
verbindlich zu sein, wirksam sein, d. h. durch eine Streitmacht auf
recht erhalten werden muß, die hinreichend stark ist, um dem Feinde
die Annäherung an das Ufer wirklich verwehren zu können.
Mit dieser Bestimmung war natürlich das Institut der Blockade
noch keineswegs nach jeder Richtung hin geregelt, verschiedene wich
tige Fragen blieben offen, die erst auf der Londoner Konferenz ihre
endgiltige Regelung fanden, nachdem der von Italien auf der zweiten
Haager Konferenz eingebrachte Vorschlag auf Feststellung des Blockade
gebietes nicht weiter verhandelt werden konnte.
ln den Neutralitätserklärungen wurde stets die Wirksamkeit der
Blockade als Voraussetzung für das Verbot zum Einlaufen in blockierte
Häfen betrachtet. So heißt es in dem früher zitierten Erlasse vom
25. Mai 1854, in der Verordnung vom 29. Juli 1870 und vom
11. Mai 1877: »Den österreichischen Schiffen ist das Einlaufen in
solche .Häfen und Plätze, die von einer der kriegführenden Mächte
belagert oder mit Aufstellung einer angemessenen Streitkraft tatsächlich
blockiert sind, verboten.«
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Wenn auch die Pariser Deklaration nur einige wenige Fragen
des maritimen Völkerrechtes geregelt hat, so bedeutet sie doch einen
wichtigen Schritt in der Ködifizierung eines internationalen Seekriegs
rechtes.
In der Folgezeit, die sehr reich an Kriegsfällen war, entwickelte
jeder Staat, auf den Bestimmungen der Pariser Deklaration weiter
bauend, seine eigenen Seekriegsgesetze. Dieser Entwicklungsgang war
in den einzelnen Staaten oft recht verschieden. Jeder Staat war natürlich
nur darauf bedacht, solche Normen des Seekriegsrechtes aufzustellen
und denselben womöglich bei den anderen Staaten Anerkennung zu ver
schaffen, die für seine eigenen Interessen am zweckmäßigsten schienen.
Vor allem war es da die Frage der Neutralität- das Verhalten
der Neutralen bei einem Kriege —- eine Frage, die speziell in Eng
land und Frankreich zu ganz verschiedener Lösung gelangte. Davon
wird jedoch später bei Behandlung der Haager Friedenskonferenz noch
ausführlicher die Rede sein.