Full text: XII. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (12)

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Gewässern des anderen kriegführenden Staates befanden, einfach als 
gute Prise weggenommen. Später, vor allem aber seit dem Krimkriege 
wurde den feindlichen Handelsschiffen, welche sich in den Gewässern 
der Gegenpartei aufhieken, eine bestimmte Frist zum Auslaufen gewährt. 
Frankreich setzte im Jahre 1854 diese Frist mit sechs Wochen fest. Auch 
Österreich hatte im Jahre 1859 den feindlichen Handelsschiffen eine 
ähnliche Begünstigung gewährt. In der Verordnung vom Jahre 1859, 
RGBl. Nr. 76, § 2, heißt es: »Den französischen und sardinischen 
Kauffahrteischiffen, welche sich gegenwärtig in österreichischen Häfen be 
finden, wird in der Erwartung eines reziproken Vorganges von Seite 
ihrer Regierung gestattet, ihre Ladungen fördersamst einzunehmen und 
ungehindert ins Ausland abzugeben, vorausgesetzt, daß sie keine Kriegs 
konterbande oder überhaupt verbotene Gegenstände an Bord führen.« 
Auf der Haager Friedenskonferenz wollte man nun die Frist, 
welche den gegnerischen Handelsschiffen zum Auslaufen gewährt werden 
soll, genau bestimmen, doch gelang es nicht, die verschiedenen wider- 
streitenden Interessen einander näher zu bringen und diese Frist (dülai 
de faveur) obligatorisch festzusetzen. Deshalb konnte in diesem Ver 
trage nur der Wunsch zum Ausdrucke gelangen, die feindlichen 
Handelsschiffe innerhalb einer bestimmten Frist unbehindert auslaufen 
zu lassen. Schiffe, welchen diese Bewilligung erteilt wird, erhalten einen 
Passagierschein. Ist ein feindliches Handelsschiff infolge höherer Gewalt 
außer Stande, den feindlichen Hafen innerhalb der festgesetzten Frist 
zu verlassen, so darf es nicht konfisziert werden. Der Kriegführende 
hat aber das Recht, das Schiff wegzunehmen und nach dem Kriege 
ohne weitere Entschädigung dem Eigentümer zurückzustellen. Ebenso 
wenig unterliegen feindliche Handelsschiffe, die ihren letzten Ausfahrts 
hafen vor Ausbruch des Krieges verlassen haben und auf hoher See 
von den gegnerischen Kriegsschiffen angetroffen werden, der Kon 
fiskation. Dem Gegner steht jedoch das Recht zu, solche Schiffe auf 
zubringen, wegzunehmen, eventuell auch zu zerstören. Im letzteren 
Falle erwächst der Gegenpartei jedoch die Verpflichtung, für die 
Sicherheit der Besatzung sowie die Sicherung der Schiffspapiere Vor 
sorge zu treffen. Nach Beendigung des Krieges ist das Schiff ohne 
Entschädigung zurückzustellen; falls es zerstört wurde, ist Schaden 
ersatz zu leisten. 
In gleicher Weise wird die feindliche Ladung behandelt, die 
sich an Bord solcher Schiffe befindet; sic wird entweder weggenomrnen 
und nach dem Kriege ohne weitere Entschädigung zurückgestellt oder 
aber gegen Verpflichtung zu Schadenersatz zerstört. Auf Schiffen, die 
ihrer Konstruktion nach zur Umwandlung in Kriegsschiffe geeignet 
sind, finden diese Bestimmungen keine Anwendung. 
Aus der soeben besprochenen Vereinbarung ergibt sich, daß 
jene Staaten, welche über hinreichende Flottenstützpunkte verfügen, in 
denen sie diese Schiffe verwahren können, im Vorteile gegenüber jenen 
Staaten sind, die keine solchen Flottenstützpunkte besitzen und daher 
gezwungen wären, diese Schiffe oder ihre Ladungen zu vernichten
	        
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