Full text: XII. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (12)

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durch die Kriegführenden benützt werden dürfen. In England ist man 
erst im Laufe der Zeit zu jener strengen Auffassung der Neutralität 
gelangt, die heute dort vorherrscht. 
Im amerikanischen Sezessionskriege begünstigte England in auf 
fälliger Weise die Südstaaten, indem es die Lieferung von Kriegs 
material, Schiffen und Kohle ohne Einschränkung gestattete. Außerdem 
wurden in englischen Häfen Kaperschiffe für die Südstaaten aus 
gerüstet. Erst über Einspruch der Nordstaaten hat England strengere 
Neutralitätsregeln erlassen. Nach dieser englischen Regel ist dem Schiffe 
eines Kriegführenden nur ein Aufenthalt von 24 Stunden in einem 
englischen Hafen gestattet, ausgenommen Seenot sowie jene Fälle, in 
denen die Ergänzung von Lebensmitteln für die Bemannung oder die 
Durchführung von Reparaturen einen längeren Zeitraum in Anspruch 
nimmt. Nach Vollendung der Reparatur darf das Schiff jedoch nicht 
länger als 24 Stunden im Hafen bleiben. (24 Stunden Regel.) 
Hinsichtlich der Einnahme von Kohle bestimmt die englische 
Regel, daß nur eine derartige Quantität eingeschifft werden darf, die 
hinreicht, um den nächsten Heimatshafen oder den nächsten und im 
voraus bezeichneten neutralen Hafen zu erreichen (Regel des nächsten 
Hafens); 
Weiters darf ein Schiff in demselben Hafen oder in einem 
anderen Hafen Großbritanniens ohne besondere Erlaubnis erst nach 
Ablauf von drei Monaten vom Tage der letzten Kohleneinnahme an 
gerechnet neuerdings Kohle einschiffen. (Regel der drei Monate.) 
Übrigens hat die 24 Stunden-Regel auch bei einigen anderen 
Staaten Eingang gefunden. 
Im russisch-japanischen Kriege ist England noch einen Schritt 
weiter gegangen, indem es in der Proklamation von Malta vom 
12. August 1904 der Eskader sowie einzelnen Schiffen eines krieg- 
führenden Staates, die sich auf den Kriegsschauplatz begeben, jede 
Kohleneinnahme in englischen Häfen verbot. Man war daher in Eng 
land zu der Auffassung gelangt, daß bereits die Gestattung der Kohlen 
einnahme in den neutralen Häfen einen Bruch der Neutralität bedeutet. 
Man hat deshalb auch Frankreich, das in seinen Häfen die Kohlenein 
nahme gestattete, den Vorwurf der Neutralitätsverletzung gemacht. Daß 
England derartige strenge Neutralitätsregeln erlassen hat, ist ja be 
greiflich. Je strenger die Neutralitätsregeln sind und je mehr die neu 
tralen Häfen den Kriegführenden verschlossen werden, um so unmög 
licher wird allen Staaten, die keine oder nur wenige Kolonien be 
sitzen, ein Krieg in größerer Entfernung vom Mutterlande. Vor allem 
wären durch die Anerkennung der englischen Kohlenregel die Krieg- 
führenden, die nicht über Kohlenstationen verfügen, gezwungen, sich 
auf Operationen in der Nähe der eigenen Kohlenstationen zu be 
schränken oder aber einen großen Troß an Kohlenschiffen mitzuführen. 
Die englischen Regeln verfolgen, wie man sieht, ausschließlich den 
Zweck, den englischen Seeverkehr so weit als möglich vor einer Be- 
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