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Daß die durchschnittliche Schlankheit und geringe Anlage der Muskel-
und Drüsenapparate der Amerikaner, wie sie E. Desor 1 ) gefunden haben will,
im trockenen Landklima der Vereinigten Staaten begründet ist und daß die
Amerikaner in europäischen Städten bei längerem Aufenthalte bald Fett ansetzen,
ruhiger und träger werden, während Europäer in Amerika sehr bald nervös
werden und abmagern, sind interessante, hier bemerkenswerte Beobachtungen,
deren genauere Analyse und auch Bestätigung allerdings noch aussteht.
Temperatursprünge, die in Wüsten oder trockenen Gegenden leicht
ertragen werden, bewirken in feuchten Gegenden bei vielen Menschen
leicht Rheumatismus und Erkältungskrankheiten.
Temperaturangaben ohne zugehörige Feuchtigkeitswerte sind dem
nach geradezu wertlos.
Neben den Angaben über die Regendichte eines Ortes, welche
man erhält, indem man die Regensumme eines Monates durch die
Zahl der Regentage desselben dividiert, sind natürlich, wie schon
früher bemerkt, Angaben über die Trocken- und Regenperioden eines
Ortes mit Unterscheidung nach Jahreszeiten wertvoll. Als Anhaltspunkt
für den Vergleich dient wohl die für jede bewohnte Gegend ge
messene Zahl der durchschnittlichen Niederschlagsmengen eines Jahres.
Aus solchen Daten läßt sich mit hinreichender Genauigkeit die
absolute Regenwahrscheinlichkeit des Ortes für gewisse Monate
ermitteln.
Was für niedere Breiten der Regen, ist für die mittleren und ins
besondere höheren Breiten die Schneedecke. Obwohl für die meisten
geographischen Breiten diesbezügliche Angaben für Handel und Ver
kehr von weitaus geringerer Bedeutung sind als die Regenverhältnisse
für die Tropen, so sind für die Beschreibung der klimatisch hygieni
schen Verhältnisse schon der Vollständigkeit wegen dennoch folgende
Momente von Belang (Hann):
1. Die Dauer einer »geschlossenen« Schneedecke.
2. Die Tage mit Schneefall eines oder mehrerer Berichtsjahre
eventuell mit Angabe der Schneehöhe einzelner Schneefälle.
3. Das Datum des ersten und letzten Schneefalles in den Jahren
der betreffenden, 5—10jährigen, Berichtsperiode.
Von ganz besonderer klimatischer und auch hygienisch medizini
scher Bedeutung sind die Verhältnisse der Himmelsbedeckung, Be
wölkung, Nebel und Sonnenscheindauer. Wie sehr einerseits die
direkte Sonnenbestrahlung, »Besonnung«, oxydierend und bakterizid,
d. i. Luft und Boden von schädlichen Krankheitskeimen befreiend, wirkt,
sowohl direkt durch die ultravioletten, d. i. dunklen und hauptsächlich
chemisch wirksamen Strahlen, als auch indirekt, schon durch die Aus
trocknung des feuchten oder sumpfigen Bodens und die mittelbare
Wirkung der Trocknung auf gewisse keimverbreitende Insekten
(Mücken), ist wohl für jedermann einleuchtend. Ebenso, daß Exzesse
des Klimas nach beiden Richtungen hin, und zwar sowohl durch
intensiven, fast ununterbrochenen Sonnenschein und abkühlungslose
Hitzeperioden als auch durch langdauernde Düsterkeit, totale Bewölkung
*) Siehe auch in Hanns Allgemeiner Klimatologie, 1909, Band X.
XII. Jahrbuch. 5