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Turnübungen. In manchen Gegenden, zumal den kühleren, ist das
Ringen und Boxen, in anderen das Reiten und Radfahren, auch der
Fechtsport oder die mit dem letztgenannten stets kombinierten Polo
spiele zu Pferd, auch zu Rad oder in Booten en vogue. Von großer
Bedeutung ist auch der Jagd- und Bergsport, von relativ geringer in
südlichen, respektive heißen Ländern gerade der bei uns in Mittel
und Nordeuropa vielbetriebene Eislauf-, Ski- und Rodelsport. Hingegen
sind Lawn-Tennis und Fußball heute schon in der ganzen Welt,
namentlich wo die englische Nation vertreten ist, in höchster Blüte,
ebenso auch das zumal in Indien und Australien sehr verbreitete
Hockey und das in englischen Kolonien vielbetriebene ältere Rugby.
Nach eigenen persönlichen Erfahrungen und Berichten von
Reisenden und Kaufleuten aus fremden Ländern wäre heute der gesell
schaftliche Verkehr junger Menschen ohne sportliche Vorbildung und
Vorliebe geradezu wesentlich behindert.
Jenen geringen Grad von sportlichen E'ertigkeiten, körperlicher
Kraft und Abhärtung, wie ihn selbst der Durchschnitt der jetzigen
Generation und speziell des Kaufmannsstandes gemäß ihres d ermäßigen
Studienganges in Volks- und Mittelschulen mit sich bringt und ins
besondere auch jene Art von körperlicher Ausbildung in geschlossenen
Turnhallen, wie sie ja derzeit fast den gesamten Inhalt unserer gym
nastischen Erziehung betreffen, müssen für solche Zwecke als gänzlich
unzulänglich bezeichnet werden.
Die Einsicht von der relativen Wertlosigkeit des Zimmerturnens
und Gerätturnens in staubigen Turnsälen, selbst der sogenannten
schwedischen Zimmergymnastik hat auch schon in Schweden, Deutsch
land, Dänemark zur Ausbildung des sogenannten Leichtathletiksportes
im Freien, statt des Turnunterrichtes im Sinne Rousseaus und Jahns
geführt. Ein gewisses Mindestmaß von Training und Kampfspiel mit
Wettbewerb ist an Sportplätzen wohl überall zu finden, hingegen ist
der »Rekord«, als für viele Menschen bedenklich, vom gesundheitlichen
Standpunkt gewiß nicht zu billigen. Wir sollen immer noch zwischen
dem gesunden individualisierenden Leibessport und dem nur allzuoft
ins Exzentrische führenden Athletiksport unterscheiden.
Daß viele Sportarten die körperliche und geistige Schlagfertigkeit
enorm heben und insbesondere die Sinne stärken, steht außer jedem
Zweifel. Was dem Kulturmenschen mit seinen überregbaren Neuronen
(Nervenelementarzellen) und seinen atonischen Muskelfasern jedenfalls
von Generationen her fehlt, ist gerade der stetige körperliche Sport,
das Training.
Wie oft haben dies gerade Reisende und Kaufleute in fremden
Ländern in bitterster Weise gefühlt, da sie sich für das dort hoch-
entwickelte Sportleben nicht eigneten und dadurch unwillkürlich in
Exklusivität gerieten, ja in der Gesellschaft nicht recht Fuß fassen
konnten. Das gilt wenigstens für die Mehrzahl der anglo-amerikanischen
und australischen Handelsplätze und Städte, aber auch für die meisten