Full text: XII. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (12)

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der Wüste schrittweise mehr und mehr Terrain wieder abgewonnen 
und unter Kultur genommen. 
Aus dem Verlauf des Nil läßt sich ohneweiters darauf schließen, 
daß die Quellen des Nil und seiner Zuflüsse ganz gewaltige sein 
müssen. In der Tat umfaßt das Gebiet der Nilquellen, über die uns 
erst die letzten Dezennien nähere Aufschlüsse brachten, und das seiner 
Zuflüsse ganz ungeheure Flächen. 
■ Das Quellgebiet des Kagera 1 ), des größten Zuflusses des Victoria-Ny anza 
(1125 m ü. ~d. M.), welcher jetzt als der Anfang des Nil betrachtet wird, der 
jenseits des Äquators, mit 2 Armen in der Nähe des Kivu- und Taganiki-Sees 
von dem ca. 2500 m hohen Plateau entspringend, bis zu seiner Einmündung in 
den Victoria-See schon eine Länge von 690 km hat; sowie der anderen Zuflüsse 
des Victoria-Nyanza, aus dem der Victoria-Nil bei dem 1861 von Spelte ent 
deckten Rippon-Falle abfließt, mit seiner 68.000 Oberfläche der zweitgrößte 
Binnensee der Erde (ca. l^mal so groß als die gesamte Schweiz) (der aber 
hauptsächlich durch die enormen, auf ihn niedergehenden tropischen Regengüsse 
auf seinem Niveau gehalten wird), sodann das Quellengebiet des Eduard- und 
Albert-Sees, an denen das Gebirge ca. 5500 m Höhe erreicht, und der Bahr el 
Jebel, wie der Nil bei seinem Austritt aus letzterem See heißt; weiterhin des 
Nebenflusses, des Bahr Ghazal, der mit zahlreichen Armen von den westlichen 
Höhen (bis 1000 m- ii. d. M.-j kommt, welche die Wasserscheide zwischen dem 
Kongo und dem Nil bilden, des Bahr Zaraf, der (wie neuerdings Cpt. Lyons 
glaubt) sich in dem Überschwemmungs- und. Sumpfgebiet nördlich Gondoltoros 
bei Ghaba Shambe am 7° nördl. Breite unter dem Einfluß der großen lokalen 
Regenmassen bildet, schließlich des Sobat, der schon von dem abessinischen 
Hochplateau (ca. 2000 2500 m hoch) von Osten kommt: das Gebiet all dieser 
Seen und Flüsse, aus deren Vereinigung der Weiße Nil hervorgeht, hat zu 
sammen die ungeheure Ausdehnung von ca. 1,350.000 km*. 
Dazu kommen weiterhin die Quellengebiete des Blauen Nil und des 
Atbara auf dem' abessynischen Hochland (ca. 2500 m mit bis ca. 5000 m hohen 
Gebirgen, Tsana-See 1755 m) mit ca. 400.000 -500.000 Itm'K Dergestalt ist das 
Quellengebiet des vereinigten Nil größer als das gesamte Zentraleuropa. 
Aus dem Besprochenen ergibt sich, daß der Nil aus zwei ungefähr gleich 
langen, ihrem Charakter nach jedoch völlig verschiedenen Teilen besteht: der 
erste, welcher von den großen Seen (bis ca. 34° südl. Breite) in. einer Länge 
von über 3000 bis über Khartum hinaus am 15'/« nördl. Breite von allen 
Seiten überreiche Zuflüsse (zum Teil direkt durch Regengüsse) erhält und von da, 
zu einem großen Strom vereint, in gleichfalls fast ca. 3000 km Länge sich seinen 
Weg durch dürre. Felsen und Wüsten bis zum Mittelmeer bahnt, ohne Regen 
und ohne Zuflüsse zu erhalten, und das Land, was er auf der Wüste geschaffen 
hat, jährlich nicht nur mit einem köstlichen Naß bewässert, sondern ihm noch 
immer wieder frische fruchtbare Ackerkrume spendet. Was er weit ab im 
Süden vom Himmel und der Mutter Erde empfangen hat, das schenkt er hier 
verschwenderisch wieder her. So groß sind die Wassermassen, die er im Süden 
aufnahm (bei Berber ist sein Debit gelegentlich auf ca. 128 Millionen Kubikmeter 
pro Jahr berechnet), daß er trotz Verdunstung bei Assuan ca. 115 Millionen 
Kubikmeter (mit ca. 30 Millionen Kubikmeter ungelösten Schlamms und ca. 20 Mil 
lionen Kubikmeter gelöster Massen) und der Wässerung Ober- und Mittelägyptens 
und des Fayoum durch flußgroße Kanäle —- bei Kairo noch ein Debit von 
ca. 90.000 Millionen Kubikmeter hat! 
l ) The Physiography of the River Nile etc. Cpt. H. G. Lyons. D. G. Survey- 
Departements, Cairo 1905, dem die meisten Daten über den Nil entnommen sind. 
Dies vortreffliche Buch gibt auch einen ausführlichen bibliographischen Index. — 
A. Chelu, Le Nil, le Soudan l’Egypte. Paris 1891.
	        
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