Wir begreifen es danach, weshalb die alten Ägypter den Nil wie eine
Gottheit verehrten 1 ). Hängt doch der Wohlstand, das ganze Leben Ägyptens
vom Nil ab und steigt und sinkt sein Reichtum mit dem Stand des Nil, dessen
Messungen schon in der grauen Vorzeit mit der größten Sorgfalt vorge
nommen wurden (seit ca. 5000 Jahren bekannt); wie die alten Ägypter auch die
Kunst der Irrigationen schon in hohem Maße übten.
Wie wichtig aber auch die Ausbildung der Kanalisation und Irrigation
für Ägypten ist — ganz außerordentlich bedeutungsvoller ist für den Nil und
seinen Wasserstand die erstaunliche Regelmäßigkeit und Gleichmäßigkeit, mit
der in den Seen- und abessinischen Gebieten die Regenmengen fallen, welche
mit den atmosphärischen Schwankungen und Passatwindeu direkt von der Sonnen
bewegung abhängen. So außerordentlich ist diese Regelmäßigkeit, daß der Be
ginn der Nilsteigung nur um Tage variiert, die des niedrigsten Nilstandes, soweit
genauere Beobachtungen vorliegen, im Lauf von fast einem Jahrhundert nur um
ca. 2 1 / a m, die der Nilhöhe nur um ca. 3 m (Cpt. Lyons) differierten. Schon
Herodot war es bekannt, daß die Grenzen zwischen einem guten und schlechten
Nilstand nur ca. 2 m betrugen.
Aus dem bisher Erörterten ersahen wir bereits, daß der zweite
Teil des Nil nördlich Khartums, respektive Berber bis Assuan, ein
völlig regenloses Gebiet durchfließt (ca. 1500 km), von wo an, zu
nächst nur, gelegentliche Schauer auftreten, die erst an der Küste
mit größerer Regelmäßigkeit, wenn auch immer noch in geringer Menge
auftreten.
Schon bei Khartum beherrscht die Wüste die Luft und setzt
sich den südlichen Sommerwinden und ihren Regen immer mächtiger
entgegen, so daß dieselben ungefähr bei Shendi-ßerber ihr Ende finden.
Das unbestrittene Gebiet der Wüste reicht in der Luft von hier bis
gegen Assuan im Niltal, ja, mit geringer Einschränkung bis gegen
Kairo hin, während der mächtige Einfluß ihres glühend trockenen
Atems sich noch weit südlich und nördlich über diese Punkte hinaus
fühlbar macht und seine Spuren im Norden noch weit in das Mittel
meer, in Italien, ja, noch gelegentlich an der Riviera bemerkbar sind.
Dies führt uns nun direkt hinüber zur Besprechung der meteoro
logischen Faktoren, die das Klima Ägyptens bedingen.
Das Klima Ägyptens.
Daß in der Tat die Wüste das Klima Ägyptens ganz vorwiegend
beherrscht, ergibt sich ohneweiters aus der geographischen Lage
Ägyptens — ein Blick auf die Karte zeigt uns, daß das Nil-Tal von
Khartum (unter dem 15° 3(5' nördl. Breite, 32° 32 östl. Länge) nach
Assuan (24° nördl. Breite, 32 c 53‘ östl. Länge) fast überhaupt unbebaut,
von da an als fruchtbares Land, das eigentliche Ägypten, bis Kairo (30°
nördl. Breite, 36° 17' südl. Länge) mit einigen Windungen in ca. 950 km
Länge in südlich-nördlicher Richtung sich wie ein winzig dünner grüner
*) Die alten Ägypter opferten ihm nach Überlieferungen der späteren Zeit
ein junges Mädchen (die Nilbraut), wenn der Nil eine gewisse Höhe erreicht
hatte — ein Gebrauch, der sich bis in die neueste Zeit figürlich bei den großen
besten am Abend des »Nilschnittes« (Durchstechung eines Dammes von dem
Kanal, der früher die Stadt durchfloß (einst ein Nilarm — dem Khalig) er
halten hatte.