Full text: XIV. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (14)

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Die Lage Marseilles nach der Landseite ist für die Ent 
wicklung eines großen reinen Speditionsverkehrs, insbesondere eines 
internationalen nicht sehr günstig. Der Platz liegt zu weit entfernt 
von Paris und dem großen nordfranzösischen Industriegebiete, die 
ihren Überseeverkehr über Marseille hauptsächlich nur in jenen Rela 
tionen, in denen der südfranzösische Hafen besonders gute Schiffs 
verbindungen besitzt, aber auch dann mit Benutzung der binnen 
ländischen Verkehrswege vornehmlich nur in Waren, die rasch expediert 
werden müssen oder die die Belastung mit teureren Frachten leichter 
vertragen, durchführen. Große französische Produktionszweige außer 
halb des engeren Marsc-iller Industriegebietes, die mit ihrem Verkehr 
nach Marseille gravitieren, sind vornehmlich nur die Kohlenproduktion 
und Eisenindustrie sowie die Seidenindustrie des südlichen Teiles von 
Frankreich. Marseille hat im Jahre 1909 per Eisenbahn 6'851 Millio 
nen Meterzentner Kohle erhalten, die wenigstens teilweise auch zur 
Verschiffung gelangt sind. An Eisen und Stahl, Maschinen, Werk 
zeugen und Metallwaren wurden 1909 über Marseille 0'734 Millionen 
Meterzentner exportiert. Die Seidenindustrie wirkt namentlich auf die 
Wertzahlen des Marseiller Verkehrs stark ein, indem z. B. 1909 an 
Seide (ohne Kokons) für 244 5 Millionen Francs (0'15 6 Millionen 
Meterzentner), an Kokons für 22 Millionen Francs importiert und 
an Seidengeweben für 45'8 Millionen Francs (O'Oll Millionen Meter 
zentner) exportiert worden ist. Die Wertsumme dieses Seidenverkehrs 
beträgt ungefähr 1 / 9 des Gesamtwertes des Marseiller Verkehrs im 
Generalhandel. 
Auf einen internationalen Transit mit Benutzung der Binnen 
wege kann Marseille nach seiner geographischen Lage in größerem 
Maße nur gegenüber der Schweiz, in geringerem Maße gegenüber 
Südwestdeutschland und Norditalien rechnen, während das übrige 
Deutschland, Belgien und Österreich sich doch stets nur für mehr 
oder weniger kleine Quantitäten des Binnenweges bedienen werden, 
um Versendungen zur See oder überseeische Bezüge über Marseille 
vorzunehtnen. Der reine Transitverkehr für die Schweiz besteht zum 
weitaus größten Teile seiner Quantität aus einem Getreideimport 
verkehr. Jährlich gehen 2 bis 3 Millionen Meterzentner Getreide über 
Marseille nach der Schweiz, ohne die Marseiller Entrepots zu berühren, 
während der Exportverkehr der Schweiz über Marseille im reinen 
Transit im Jahre 1909, wo er außergewöhnlich groß war, nur 
0'146 Millionen Meterzentner (vornehmlich Käse, kondensierte Milch 
und verschiedene Industrieprodukte) betragen hat. Marseilles Verkehrs 
beziehungen zur Schweiz leiden in zunehmendem Maße unter der 
Konkurrenz Genuas und Venedigs. 
Ungünstig wirkt auch auf die landseitige Verkehrsentwicklung 
Marseilles ein, daß seine Verbindung mit dem Hinterlande fast aus 
schließlich in der Hand einer privaten Eisenbahngesellschaft, der 
„Paris-Lyon-Mediterannee”, liegt, über deren Tarife vielfach Klage 
geführt wird. Der im Bau begriffene Kanal von Marseille zur Rhone
	        
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