Full text: XV. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (15)

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schädigt gebliebenen Gegenstände weit unter dem Versicherungs 
werte "verkauft werden, so ist dies gleichfalls ein Schaden, der 
nicht den gemeinen Wert, sondern das Interesse berührt. Alle 
Schäden der genannten Art fallen aber außerhalb unserer Kau 
salitätsbedingung und sind daher vom Versicherer nicht zu er 
setzen. 
Während sich der gemeine Wert immer an eine bestimmte 
Sache knüpft, kann sich das Interesse verallgemeinern, immateriali 
sieren. Der Gewinn, den ein Fabrikant aus seinem Betriebe er 
wartet. heftet sich nicht bloß an die gerade zur Zeit des Schaden 
falles vorhandenen Vorräte und Waren, sondern auch an die 
Rohstoffe, welche erst später in die Fabrik eingekommen wären; 
nicht bloß an die versicherten Gebäude und beweglichen Gegen 
stände, sondern auch an den Grund und Boden und an das Be 
triebskapital — mit einem Wort an das Unternehmen als Ganzes. 
Der Schaden am Interesse, welchen ein Fabrikant infolge Betriebs 
stillstandes durch Kundenverlust erleidet, korrespondiert über 
haupt mit keinem Sachwerte. Der Verlust an außenstehenden 
Forderungen, welchen ein Kaufmann durch Verbrennen seiner 
Geschäftsbücher erleidet, trifft unzweifelhaft sein Interesse an 
diesen Büchern, dieses Interesse ist jedoch nicht aus dom Sach 
werte der Bücher, sondern aus dem Worte der verkauften 
Sachen hervorgegangen und knüpft sich nur zufällig an die 
Bücher. Derartige Interessen, welche in keiner oder nur in einer 
ganz äußerlichen Beziehung /.um Werte der versicherten Sachen 
stehen, oder welche sich auf eine Sachgesamtheit beziehen, die 
mit der versicherten nicht völlig identisch ist, sind begreiflicher 
weise gar nicht oder nur sehr schwer versicherbar. 
Solche Interessen haben aber natürlich außer Betracht zu 
bleiben, wenn man für das Gebiet der Feuer Sachversicherung 
die Frage entscheiden will, ob Wertersatz oder Schadenersatz zu 
leisten sei. Ferner können wir vorerst auch den Ersatz des ent 
gangenen Gewinnes, der schon in dem Beispiele von dom chirur 
gischen Bestecke eines Operateurs als schwer versicherbares 
Element erschien, außer Betracht lassen, nachdem der Versicherer 
in § 9 seiner Polizzenbedingungen den entgangenen Gewinn vom 
Ersätze aussehließt, und nachdem auch der österreichische Gesetz 
entwurf bestimmt: „Den durch Eintritt, des Versicherungsfalles 
entgehenden Gewinn umfaßt die Versicherung nur, soweit dies 
besonders vereinbart ist.” 
Um die Frage, ob der Feuerversicherer den gemeinen Wert 
oder das Interesse zu ersetzen, ob er Wertersatz oder Schaden 
ersatz zu leisten habe, tobt auch heute noch ein heißer Kampf. 
Theoretiker, welchen die praktischen Erfordernisse des wirtschaft 
lichen Lebens fremd sind, und Praktiker, welche in der Unbe 
stimmtheit des Interesses, das ja den Wert für einen einzelnen 
vorstellt, eine große Gefahr für den Versicherer erblicken, ver 
künden stets die Lehre, daß die Feuerversicherung auf dem ge-
	        
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