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Bezüglich der Rohstoffe und Erntefrüchte bestimmt der
österreichische Gesetzentwurf, daß dieselben nach den für den
Tag des Brandes festgestellten Durchschnittspreisen zu entschä
digen sind.
In der Praxis ergeben sich bei den Waldversicherungen
Fälle, bei welchen das Interesse und der gemeine Wert in ganz
eklatanter Weise voneinander abweichen. Dies trifft nämlich
immer zu bei der Versicherung von jungen, nicht schlagbaren
Waldkulturen; die für Jungholz aufgewendeten Kulturkosten und
die von demselben gewissermaßen geschuldete Bodenrente ist un
vergleichlich größer als der Holzwert, den diese Kulturen reprä
sentieren. Die gewöhnliche Feuerversicherung schließt deshalb
Stämme unter einer gewissen Brustweite von der Versicherung
überhaupt aus; will der Versicherungsnehmer für die Bestand
kosten solcher Kulturen gedeckt sein, so muß er ausdrücklich
eine Interesseversicherung beantragen.
Die Vergütung der Durchschnittspreise für verbrannte Ernte
früchte ist nach der Begründung zum österreichischen Gesetz
entwürfe so zu verstehen, daß ersparte Kosten, z. B. Druschkosten
und Kosten der Zufuhr zum Markte, fürderhin nicht mehr in
Abzug gebracht werden dürfen. Dieser Bestimmung liegt der
Gedanke zugrunde, daß der Landwirt in der Regel durch den
Fortfall der genannten Arbeiten nichts erspart, da die Familien
mitglieder, das Hausgesinde und das Zugvieh auch nach dem
Brande erhalten werden müssen. Dort aber, wo eine solche Er
sparnis tatsächlich eintritt, wie z. B. bei großen Wirtschafts
betrieben, wo die Arbeiter zu anderen Arbeiten verwendet werden,
wo der Brennstoff des zum Antrieb der Dreschmaschine ver
wendeten Lokomobiles erspart wird etc., dort führt die genannte
imperative Bestimmung des österreichischen Gesetzentwurfes un
zweifelhaft zu einer Bereicherung des Versicherten. Wenn diese
Bestimmung also auch zu allgemein gehalten ist, so ist ihr Grund
gedanke ganz richtig; er ist ein Plaidoyer für die Interessever
sicherung. Der gemeine Wert von ungedroschenem Getreide ist
offensichtlich gleich dem gemeinen Werte von gedroschenem Ge
treide abzüglich der zum Drusche und zur Verkaufsstellung auf
zuwendenden Kosten. Der Versicherer soll jedoch für solche
Kosten keine Abzüge machen dürfen, weil der Versicherte diese
Kosten nicht erspart. Der Umfang des wirklichen Geldinteresses
des Versicherten soll für die Entschädigung maßgebend sein.
Wir haben also hier einen Fall, wo auch für Verkaufsgegen-
ständo der Mehrwert des Interesses über den gemeinen Wert zu
entschädigen ist.
Wie unrichtig diese Bestimmung jedoch in ihrer absoluten
Allgemeinheit werden kann, zeigt sich, wenn man sie auf die
Versicherung anderer Rohstoffe, z. B. auf die Versicherung
stehender Wälder anwenden und dieselben zum Durchschnitts
preise von gefälltem Rundholze entschädigen wollte, da beim