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Brande von Waldparzellen die Schlag- und Transportkosten stets
erspart werden.
Auf der anderen Seite kann sich aber der Fall ergeben,
daß der österreichische Gesetzentwurf dem Landwirte, dem seine
Erntevorräte verbrennen, ein Unrecht zufügt. Es sollte nämlich
bei Rohstoffen und Erntefrüchten unterschieden werden, ob sie
der Versicherte zum eigenen Bedarfe braucht oder zum Verkaufe
bestimmt hat. Die für den eigenen Gebrauch bestimmten Ernte
früchte muß der Versicherte, um seinen Wirtschaftsbetrieb auf
recht zu halten, nachkaufen; er wird für diese Vorräte daher
außer den Marktpreisen, welche ihm der österreichische Gesetz
entwurf zusprieht, noch Abfuhrkosten vom Markte aufwenden
müssen, welche ihm ebenfalls vergütet werden sollten. Es kann
aber noch ein anderer Fall eintreten. Angenommen, daß sämtliche
Heu- und Strohvorräte einer Gutsherrschaft vom Brande ver
nichtet werden, so wird die Vernichtung eines so großen Quan
tums auf die Preisgestaltung in der Umgebung von Einfluß sein,
und die Gutsherrschaft wird die benötigten Vorräte nach dem
Brande nur zu höheren Preisen nachschaffen können. Das Interesse
dos Versicherten wird also nur dann befriedigt, wenn man ihm
für die zum eigenen Gebrauch bestimmt gewesenen Vorräte den
höheren Nachschaffungspreis vergütet, dagegen sind ihm für die
zum Verkaufe bestimmten Vorräte nur die vor dem Brande
gütigen Durchschnittspreise zu vergüten. Die gesetzliche Be
stimmung, welche in allen Fällen ohne Unterschied „die für-
den Tag des Brandes festgestellten Durchschnittspreise” ent.
schädigen will, ist also zu unbestimmt und nicht ganz zutreffend
Die angeführten Beispiele dürften genügen, um zu zeigen,
daß bei Rohstoffen und Erntefrüchten unterschieden werden muß,
ob dieselben ihrer Bestimmung nach als Gebrauchsgegenstände
oder als Verkaufsgegenstände anzusprechen sind; im ersteren
Falle sind sie nach den für Gebrauchsgegenstände, im letzteren
Falle nach den für Verkaufsgegenstände geltenden Grundsätzen
zu bewerten.
Wir haben bisher die Begriffe „gemeiner Wert” und „Inter
esse” nur aus dem Gesichtspunkte unterschieden, daß der gemeine
Wert einen möglichen Nutzen für jedermann, das Interesse den
effektiven oder zumindest den in Aussicht stehenden Nutzen für
den einzelnen bedeute. Der Interessebegriff ist aber ein noch
weiterer. Ein Gegenstand kann infolge eines Brandes nicht bloß
aufhören, einer Person Nutzen zu bringen, er kann ihr Interesse
auch dadurch berühren, daß er ihr einen Schaden verursacht.
Man nennt das Interesse, einen solchen Schaden zu vermeiden,
ein negatives Interesse. Ein solcher Schaden sind z. B. die Rettungs
kosten, welche dem Versicherten beim Brande neben der Zer
störung und Vernichtung der versicherten Sachen erwachsen, ein
solcher Schaden besteht in der Haftpflicht, welche infolge eines
Brandes nach dem cöde Napoleon dem Hauseigentümer gegen