Full text: XV. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (15)

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Brande von Waldparzellen die Schlag- und Transportkosten stets 
erspart werden. 
Auf der anderen Seite kann sich aber der Fall ergeben, 
daß der österreichische Gesetzentwurf dem Landwirte, dem seine 
Erntevorräte verbrennen, ein Unrecht zufügt. Es sollte nämlich 
bei Rohstoffen und Erntefrüchten unterschieden werden, ob sie 
der Versicherte zum eigenen Bedarfe braucht oder zum Verkaufe 
bestimmt hat. Die für den eigenen Gebrauch bestimmten Ernte 
früchte muß der Versicherte, um seinen Wirtschaftsbetrieb auf 
recht zu halten, nachkaufen; er wird für diese Vorräte daher 
außer den Marktpreisen, welche ihm der österreichische Gesetz 
entwurf zusprieht, noch Abfuhrkosten vom Markte aufwenden 
müssen, welche ihm ebenfalls vergütet werden sollten. Es kann 
aber noch ein anderer Fall eintreten. Angenommen, daß sämtliche 
Heu- und Strohvorräte einer Gutsherrschaft vom Brande ver 
nichtet werden, so wird die Vernichtung eines so großen Quan 
tums auf die Preisgestaltung in der Umgebung von Einfluß sein, 
und die Gutsherrschaft wird die benötigten Vorräte nach dem 
Brande nur zu höheren Preisen nachschaffen können. Das Interesse 
dos Versicherten wird also nur dann befriedigt, wenn man ihm 
für die zum eigenen Gebrauch bestimmt gewesenen Vorräte den 
höheren Nachschaffungspreis vergütet, dagegen sind ihm für die 
zum Verkaufe bestimmten Vorräte nur die vor dem Brande 
gütigen Durchschnittspreise zu vergüten. Die gesetzliche Be 
stimmung, welche in allen Fällen ohne Unterschied „die für- 
den Tag des Brandes festgestellten Durchschnittspreise” ent. 
schädigen will, ist also zu unbestimmt und nicht ganz zutreffend 
Die angeführten Beispiele dürften genügen, um zu zeigen, 
daß bei Rohstoffen und Erntefrüchten unterschieden werden muß, 
ob dieselben ihrer Bestimmung nach als Gebrauchsgegenstände 
oder als Verkaufsgegenstände anzusprechen sind; im ersteren 
Falle sind sie nach den für Gebrauchsgegenstände, im letzteren 
Falle nach den für Verkaufsgegenstände geltenden Grundsätzen 
zu bewerten. 
Wir haben bisher die Begriffe „gemeiner Wert” und „Inter 
esse” nur aus dem Gesichtspunkte unterschieden, daß der gemeine 
Wert einen möglichen Nutzen für jedermann, das Interesse den 
effektiven oder zumindest den in Aussicht stehenden Nutzen für 
den einzelnen bedeute. Der Interessebegriff ist aber ein noch 
weiterer. Ein Gegenstand kann infolge eines Brandes nicht bloß 
aufhören, einer Person Nutzen zu bringen, er kann ihr Interesse 
auch dadurch berühren, daß er ihr einen Schaden verursacht. 
Man nennt das Interesse, einen solchen Schaden zu vermeiden, 
ein negatives Interesse. Ein solcher Schaden sind z. B. die Rettungs 
kosten, welche dem Versicherten beim Brande neben der Zer 
störung und Vernichtung der versicherten Sachen erwachsen, ein 
solcher Schaden besteht in der Haftpflicht, welche infolge eines 
Brandes nach dem cöde Napoleon dem Hauseigentümer gegen
	        
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