Full text: XV. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (15)

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filialen. Diese Vertriebsspesen sind vielmehr unter denselben Ge 
sichtspunkten zu beurteilen, wie die Händlerspesen. 
Unter den Geschäftsunkosten vergütet der Feuerversicherer 
dem Fabrikanten auch die anteiligen Zinsen des Betriebskapitals 
und zwar in der Höhe des Zinsfußes für erstklassige Anlagen, 
das sind gegenwärtig etwa 4%. Bilanztechnisch und volkswirt 
schaftlich ist dies unrichtig. In den kaufmännischen Bilanzen von 
Handels- und Fabriksunternehmungen darf bei der Bewertung 
von Waren der Kapitalzins nicht berücksichtigt werden. Malthus 
hat zwar gelehrt, daß der Kapitalzins einen Bestandteil der 
Produktionskosten bilde, aber die Nationalökonomie hat dies 
längst als Irrlehre erkannt. Unser berühmter Nationalökonom und 
gewesener Finanzminister v. Böhm-Bawerk sagt treffend: „Der 
Kapitalgewinn ist kein Opfer, das die Produktion erfordert, sondern 
ein Anteil an ihren Früchten.” 
Da der Versicherer den Gewinn nicht vergütet, so dürfte 
er also streng genommen auch keine Kapitalzinsen vergüten. Daß 
er es dennoch tut, ist für den Versicherten ein ungeschriebenes 
Recht, welches sich in keinen Versicherungsbedingungen findet, 
und das daher auch mit dem österreichischen Gesetzentwürfe 
nicht ganz harmonieren würde, der bestimmt: „Den durch Ein 
tritt des Versicherungsfalles entgehenden Gewinn umfaßt die Ver 
sicherung nur, soweit dies besonders vereinbart ist.” 
Wenn also auch die Vergütung des Kapitalzinses von seiten 
des Feuerversicherers nichts weniger als folgerichtig genannt 
werden kann, so sprechen dafür doch gewisse Billigkeitsgründe. 
Diese bestehen nicht bloß hinsichtlich des Kapitalzinses, sondern 
ebenso hinsichtlich der Miete. Der Fabrikant kann mit fremdem 
oder mit eigenem Kapitale, er kann in fremden oder in eigenen 
Gebäuden arbeiten. Im ersteren Falle haben Kapitalzins und Miete 
den Charakter von Unkosten, im zweiten Falle den Charakter 
eines Gewinnes. Es ist aber natürlich nicht gut tunlich, die 
Fabrikanten, welche mit eigenem Gelde in eigenen Gebäuden 
arbeiten, hinsichtlich der Brandschadenvergütung schlechter zu 
stellen als die anderen. 
Indem der Feuerversicherer diese Billigkeitsgründe berück 
sichtigt, bestätigt er, was wir bereits bei Besprechung des Ge 
winnes aus der öffentlichen Preisbildung und bei Besprechung 
des Gewinnes, der in den Marktpreisen liegt, gesehen haben, 
daß nämlich der Ausschluß des entgangenen Gewinnes für ihn 
keine Prinzipienfrage bildet, daß ihn nur die Notwendigkeit 
dazu zwingt, und daß er, wenn eine sichere Basis gegeben ist, 
und wenn Opportunitätsgründe dafür sprechen, auch von der 
Regel abweicht. 
Es fordert daher viel Überlegung und große Erfahrung, um 
das Verhalten des Feuersachversicherers gegenüber der Gewinn 
vergütung in jedem einzelnen Falle zu verstehen. Gerade die 
Frage des Kapitalzinses liefert hiefür ein Beispiel. Es ist unver-
	        
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