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filialen. Diese Vertriebsspesen sind vielmehr unter denselben Ge
sichtspunkten zu beurteilen, wie die Händlerspesen.
Unter den Geschäftsunkosten vergütet der Feuerversicherer
dem Fabrikanten auch die anteiligen Zinsen des Betriebskapitals
und zwar in der Höhe des Zinsfußes für erstklassige Anlagen,
das sind gegenwärtig etwa 4%. Bilanztechnisch und volkswirt
schaftlich ist dies unrichtig. In den kaufmännischen Bilanzen von
Handels- und Fabriksunternehmungen darf bei der Bewertung
von Waren der Kapitalzins nicht berücksichtigt werden. Malthus
hat zwar gelehrt, daß der Kapitalzins einen Bestandteil der
Produktionskosten bilde, aber die Nationalökonomie hat dies
längst als Irrlehre erkannt. Unser berühmter Nationalökonom und
gewesener Finanzminister v. Böhm-Bawerk sagt treffend: „Der
Kapitalgewinn ist kein Opfer, das die Produktion erfordert, sondern
ein Anteil an ihren Früchten.”
Da der Versicherer den Gewinn nicht vergütet, so dürfte
er also streng genommen auch keine Kapitalzinsen vergüten. Daß
er es dennoch tut, ist für den Versicherten ein ungeschriebenes
Recht, welches sich in keinen Versicherungsbedingungen findet,
und das daher auch mit dem österreichischen Gesetzentwürfe
nicht ganz harmonieren würde, der bestimmt: „Den durch Ein
tritt des Versicherungsfalles entgehenden Gewinn umfaßt die Ver
sicherung nur, soweit dies besonders vereinbart ist.”
Wenn also auch die Vergütung des Kapitalzinses von seiten
des Feuerversicherers nichts weniger als folgerichtig genannt
werden kann, so sprechen dafür doch gewisse Billigkeitsgründe.
Diese bestehen nicht bloß hinsichtlich des Kapitalzinses, sondern
ebenso hinsichtlich der Miete. Der Fabrikant kann mit fremdem
oder mit eigenem Kapitale, er kann in fremden oder in eigenen
Gebäuden arbeiten. Im ersteren Falle haben Kapitalzins und Miete
den Charakter von Unkosten, im zweiten Falle den Charakter
eines Gewinnes. Es ist aber natürlich nicht gut tunlich, die
Fabrikanten, welche mit eigenem Gelde in eigenen Gebäuden
arbeiten, hinsichtlich der Brandschadenvergütung schlechter zu
stellen als die anderen.
Indem der Feuerversicherer diese Billigkeitsgründe berück
sichtigt, bestätigt er, was wir bereits bei Besprechung des Ge
winnes aus der öffentlichen Preisbildung und bei Besprechung
des Gewinnes, der in den Marktpreisen liegt, gesehen haben,
daß nämlich der Ausschluß des entgangenen Gewinnes für ihn
keine Prinzipienfrage bildet, daß ihn nur die Notwendigkeit
dazu zwingt, und daß er, wenn eine sichere Basis gegeben ist,
und wenn Opportunitätsgründe dafür sprechen, auch von der
Regel abweicht.
Es fordert daher viel Überlegung und große Erfahrung, um
das Verhalten des Feuersachversicherers gegenüber der Gewinn
vergütung in jedem einzelnen Falle zu verstehen. Gerade die
Frage des Kapitalzinses liefert hiefür ein Beispiel. Es ist unver-