Full text: XV. Jahrbuch der Export-Akademie des K. K. Österreichischen Handels-Museums (15)

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kennbar, daß diese Frage mit von Einfluß war auf die üblichen 
Methoden der Versicherungswertbestimmung. 
Da nämlich derjenige, der sich ein Haus bauen läßt, dem 
Baumeister das erforderliche Baukapital gewöhnlich ganz oder 
in Raten vorstreckt, so werden als Versicherungswert von Ge 
bäuden die Herstellungskosten angesehen, das ist derjenige Be 
trag, welchen der Versicherte dem Baumeister bar in die Hand 
zahlen muß, damit dieser die Herstellung übernimmt, mit Aus 
schluß also der sogenannten Interkalarzinsen des ßaukapitals, auch 
wenn der Versicherte das Haus seinerzeit fertig gekauft und 
somit den Kapitalzins bezahlt hat. 
Da der Versicherte dagegen bewegliche Gebrauchsgegenstände 
gewöhnlich fertig kauft, so handelt es sich hier um den Kapital 
gewinn nicht des Versicherten, sondern eines Dritten und des 
halb gilt als Versicherungswert der volle Nachschaffungspreis. 
Der Versicherer vergütet demnach für Gebäude Antizipativpreise, 
für bewegliche Gebrauchsgegenstände Postnumerandopreise. 
Es wird nun auf den ersten Blick jedermann als Wider 
spruch erscheinen, daß der Feuerversicherer dem Fabrikanten 
für seine Erzeugnisse den Kapitalzins vergütet, welchen er dem 
Eigentümer von Gebäuden für diese verweigert. 
Um über dieses Verhalten des Versicherers Klarheit zu ge 
winnen, wollen wir die Wiederherstellung eines abgebrannten 
Miethauses ins Auge fassen und dabei die Fiktion aufstellen, daß 
seinerzeit die Herstellung der einzelnen Gebäudeteile in derselben 
Reihenfolge geschah, in welcher die Wiederherstellung erfolgt. 
Bei dieser Annahme wird evident, daß der Versicherer dem Ver 
sicherten nicht den Kapitalzins ersetzt, welchen das in den 
Rimanenzen steckende Kapital und welchen das zur Wieder 
herstellung erforderliche Kapital in der der Wiederherstellungs 
zeit entsprechenden seinerzeitigen Bauzeit produzierte und im 
Hauswerte aufspeicherte. Derselbe Versicherer also, der in 
der Schadenrechnung immer auf den Gegenwartswert abstellt, 
der z. B. jede Preisbildungsdifferenz und jede Altersentwertung 
berücksichtigt, zahlt dem Versicherten für das abgebrannte Miet 
haus statt des Gegenwartswertes in Wirklichkeit doch nur einen 
Zukunftswert, oder besser gesagt er eskomptiert diesen Zukunfts 
wert in der Entschädigung um den der Wiederherstellungszeit 
entsprechenden Zins des investierten Kapitals. Nachdem wir diese 
Tatsache erfaßt haben, wird es uns erst möglich sein, zu prüfen, 
ob sieh dieses Verhalten des Versicherers rechtfertigen läßt. Der 
Grund, warum sich der Feuerversicherer der Vergütung dieses 
Kapitalzinses verschließt, ist derselbe Grund, aus welchem er den 
ganzen durch den Hausbau seinerzeit erzielten Unternehmergewinn 
nicht vergütet, weil dem Versicherten damit nämlich ein Gewinn 
bezahlt würde, welchen er beim Wiederherstellungsprozesse von 
selbst zurückgewinnt. Das, was dem Besitzer des Miethauses in 
Wirklichkeit entgeht, ist die Nutzung desselben. Die Vergütung
	        
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